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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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erfahren. Die Dinosaurier hat eigentlich auch niemand gesehen. Übrigens, bedient euch doch bitte selber, was Wein und Essen angeht.«
    »Nicht, dass ich einen Streit anfangen möchte oder so«, sagt Adam lächelnd. »Aber ich kann der Urknall-Theorie genauso wenig zustimmen, wie ich Leuten zustimmen kann, die glauben, dass die Welt von Riesenschildkröten hochgehalten wird.«
    »Aber es ist doch völlig unmöglich, der Urknall-Theorie nicht zuzustimmen!«, sagt Heather.
    »Warum?«
    »Na ja, es ist keine Meinung, sondern eine gutfundierte Theorie mit vielen empirischen Beweisen. Es ist mit Sicherheit nichts, über das man verschiedener Meinung sein kann. Man könnte versuchen, sie zu widerlegen, aber das ist etwas anderes.«
    »Dann kannst du dir also eine Meinung, sagen wir, zum Kreationismus bilden oder ob es einen Gott gibt oder nicht, aber ich darf mir keine Meinung dazu bilden, ob das Universum als unvorstellbar kleiner Fleck begann, der einfach explodierte, ohne dafür den geringsten Grund zu haben?«
    »Okay, ich gebe zu, dass der Teil mit dem Anfang ein bisschen weit hergeholt ist«, sagt Heather.
    »Und die Frage ist, was vor dem Anfang war«, sage ich.
    »Ja, ja«, sagt Heather. »Aber das kann man mal kurz beiseitelassen und sich die ganzen Beweise für den Urknall ansehen. Sobald man begreift, dass sich alles im Universum bewegt und jedes Teil sich weiter weg von allen anderen Teilen bewegt, begreift man auch, dass, na ja, gestern alle Teile ein bisschen näher beisammen waren und am Tag davor noch ein bisschen näher. Wenn man das Band bis zum Anfang zurückspult, sieht man, dass logischerweise alles mal zusammengehangen haben muss. Deshalb … Adam, dem musst du doch zustimmen.«
    »Muss ich? Ach, kann ich bitte noch ein bisschen Gemüse haben?«
    »Nur, wenn du mir zustimmst«, sagt Heather lachend.
    »Oh, na ja, in dem Fall …« Adam hält seine Hände hoch, als wolle er verhindern, dass etwas Großes gegen ihn kracht.
    »Nein, ich mache nur Spaß. Hier …« Sie schiebt die Schüssel mit dem Gemüse zu Adam hin. »Aber ich verstehe immer noch nicht, wie du naturwissenschaftliche Tatsachen verleugnen kannst.«
    »›Tatsache‹ ist ein Wort. Naturwissenschaft selbst ist nur eine Ansammlung von Wörtern. Ich vermute, dass Wahrheit jenseits von Sprache existiert, und jenseits dessen, was wir ›Realität‹ nennen. Das muss so sein, na ja, wenn sie überhaupt existiert, heißt das.«
    »Wie bitte?«, fragt Heather stirnrunzelnd.
    »Oha«, sage ich, nicke und ziehe eine Augenbraue hoch. »Nun hat er dich erwischt.«
    »Alles ist nur eine Illusion«, sagt Adam. »Schöpfungsmythen, Religion, Naturwissenschaft. Wir sagen uns selber, wie die Zeit funktioniert – damit, beispielsweise, du dir vorstellen kannst, wie man das Universumsband zurücklaufen lässt und genau weiß, was man in diesem Zeitabschnitt bekommt, den wir ›gestern‹ nennen –, aber gestern existiert nur, weil wir es erfunden haben: Es ist nicht real. Du kannst mir nicht mal beweisen, dass gestern überhaupt stattgefunden hat. Alles, was wir uns glauben machen wollen, ist einfach eine Fiktion, eine Geschichte.«
    »Na ja«, sagt Heather, »dagegen kann man nicht argumentieren – was mich misstrauisch macht. Und überhaupt, wenn alle Realität nur eine Illusion ist, warum machen wir uns dann überhaupt die Mühe?«
    »Was für eine Mühe?«
    »Dass wir versuchen, alles zu verstehen. Versuchen, die Wahrheit zu finden.«
    »Du kannst versuchen, die Wahrheit außerhalb der Realität zu finden«, sagt Adam.
    »Indem ich was genau mache?«
    Adam zuckt mit den Achseln. »Meditieren, glaube ich. Oder sich sehr betrinken vielleicht.«
    Ich war kurz davor, etwas Prägnantes über Derrida zu sagen, aber Heather sieht jetzt ernsthaft entrüstet aus, und deswegen halte ich mich zurück.
    »Meditieren hat nichts mit Wissenschaft zu tun«, sagt sie.
    »Darum geht es ja gerade«, sagt Adam.
    »Du meine Güte«, erwidert sie ein wenig atemlos. »Dieser ganze verworrene, abergläubische Kram … Nichts für ungut, aber man braucht nur Wörter und Logik für die Naturwissenschaften. Ich unterrichte einen Abendkurs, wissenschaftliche Methodenlehre für Erwachsene, und ich gebe denen immer das Beispiel der Spinnweben vor dem Zimmer, in dem der Kurs stattfindet. Da ist ein langer Durchgang vor dem Seminarraum mit orangefarbenen Lampen an den Wänden. Die Lampen sind immer angeschaltet. Am Abend kann man sehen, wie die Spinnennetze über die Lampen

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