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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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sage Ihnen doch: nicht einmal einen Weisen, einen wirklichen Philosophen in Ihrem antiken, im klassischen Sinne wird man anhören. Man würde ihn einfach nicht ernst nehmen.
    SPINOZA: Sokrates, glauben Sie mir – ich habe Berichte: Es wird gar nichts geglaubt. Niemandem wird etwas geglaubt; ein Philosoph wäre verloren. Einsam – mein Gott – waren wir schließlich alle einmal. Aber der – der wäre einsam in einer Gummizelle... Vergessen Sie doch eines nicht: das Unglaubwürdigste drunten ist heute die Wahrheit. Und wer sie ausspricht, der ist von vornherein unzeitgemäß, und seine Rede bleibt unwirksam.
    SOKRATES: Was wollen Sie also tun?
    KANT: Es wäre wirklich und ernstlich zu überlegen – etwas muß geschehen, das gebe ich zu. Wie aber sollen wir es anfangen? Wie sollen wir den Menschen die Wahrheit beibringen - wie sollen wir ihnen Appetit auf die Wahrheit machen?
    SPINOZA: Wenn ich so bedenke, Herr Professor, daß unsere Vertreter drunten, die Zünftigen, die größte Mühe haben, beispielsweise – mit dem Materialismus fertig zu werden -, glauben Sie mir: der ist heute noch nicht überwunden.
    KANT: Was schreiben sie denn jetzt für ein Jahr drunten? SPINOZA: 1946, hab ich mir unlängst sagen lassen.
    KANT: Skandal! Aber habt ihr auch alles getan?
    SOKRATES: Wir haben hinuntergeschickt, was wir zur Verfügung hatten! Wir nahmen Einfluß auf die Besetzung von Lehrkanzeln. Und wir helfen den Verfassern der bedeutenden Bücher bei der Abfassung ihrer Werke.
    KANT: Wie – Sie inspirieren sie?
    SOKRATES: Jawohl.
    KANT: Das sehe ich nicht gerne.
    SPINOZA (enttäuscht): Sokrates, ich habe Sie doch gebeten, vor Kant darüber zu schweigen. Sie wissen, er hat über die Geisterseherei und dergleichen publiziert und mag das nicht.
    SOKRATES: Was tut’s? Mich erbarmen die Menschen -
    KANT: Ich will zugeben, daß Sie von lautersten Motiven getrieben waren.
    SOKRATES: – und, wenn Sie nichts dagegen haben: ich wüßte wirklich einen Ausweg.
    SPINOZA: Und der wäre?
    SOKRATES: Lachen Sie mich nicht aus; aber ich habe mit Zeitgenossen gesprochen -
    KANT: Landsleute von Ihnen?
    SOKRATES: Jawohl.
    KANT: Nun – und?
    SPINOZA: Warum schämen Sie sich?
    SOKRATES (verlegen): Es handelt sich – um altgriechische Tragödiendichter...
    KANT: Nun und?
    SOKRATES: Sie sagen, es gibt da nur einen einzigen Weg... KANT: Und zwar?
    SPINOZA: So sprechen Sie doch, ungeniert!
    SOKRATES (betont): Die Kunst! – Sie sagen, nur auf dem Wege über die Kunst lassen sich diese Leute dort drunten beeinflussen.
    KANT: Nicht uninteressant – keine so schlechte Idee!
    SOKRATES (auftauend): Ich wollte, offen gestanden, zuerst darüber nicht sprechen. Aber – es gibt sonst wirklich keinen Ausweg. Das ist nun meine Überzeugung.
    SPINOZA: Die Kunst gibt Phantasien, sie bringt Mythen oder Dichtungen, aber keine Wahrheit. Sollen wir sowas mitmachen?
    KANT: Lächerlich, Ihr Einwand – seien Sie mir nicht böse; aber die Unwirklichkeit, die sie den Menschen vorführt, steht der Wahrheit näher als die menschlichen Wirklichkeiten.
    SPINOZA: Gut; aber wir öffnen damit Tür und Tor -
    SOKRATES: Die Erfahrungen der Geschichte sprechen gegen Ihr Bedenken, Baruch.
    KANT: Sicher. Aber was anderes: Wie stellen Sie sich das Ganze praktisch vor, Sokrates? Sollen wir Theaterspielen gehen, sollen wir Theaterdichter inspirieren, oder weiß der Teufel was?
    SPINOZA: Der Professor hat recht. Wir können uns doch nicht als Bühnenfiguren hinstellen und den Menschen etwas vorspielen.
    SOKRATES: Anders können Sie zu ihnen nicht sprechen! Nur konkrete Gestalten wirken...
    SPINOZA: Schön; aber wir machen uns lächerlich.
    KANT: Und vor allem kriegen Sie für sowas nie – (geheimnisvoll andeutend) die Bewilligung.
    SOKRATES: Halt! Das lassen Sie nur meine Sorge sein. Es sind schon ganz andere – es sind schon Nicht-Menschen Menschen geworden, um den Menschen beizustehen...
    KANT: Nochmals: Sie bekommen nicht die Bewilligung, Sie werden sehen.
    SOKRATES: Aber verstehen Sie mich doch recht, Herr Professor: ich dachte ursprünglich gar nicht an so etwas wie Theaterspielen – ich meinte bloß, man sollte den Menschen aus ihrer eigenen Wirklichkeit etwas vorführen, damit sie ihre eigene – Wahrheit aufspüren...
    SPINOZA: Er meint: ein Bild aus ihrem Leben.
    KANT: Eine reale oder zumindest in der Realität mögliche, also real erscheinende Geschichte? Mit entsprechender Moral darangeknüpft?
    SOKRATES: Jawohl – so beiläufig.
    SPINOZA: Nicht einmal eine

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