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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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Häftlinge – teils sitzend, teils liegend – Platz.
     
     
    SPINOZA: Wo sind wir?
    SOKRATES: Im Konzentrationslager Birkenwald.
    KANT (mehr für sich): Furchtbar...
    CAPO (kommt mit einer Gruppe von Häftlingen hinter der Baracke hervor nach links und bleibt vor dem Eingang stehen; kurz angebunden, in gewohnt scharfem, rauhem Befehlston): Also hier ist Block VI, Baracke 9.
    FRANZ: Rasch, Karl, daß wir einen Platz beim Ofen bekommen!
    KARL (hinkend): Wart, ich kann nicht so schnell kommen – mein linker Fuß...
    FRANZ: Häng dich ein!
    KARL (tut es): So – es geht schon. (Auch die andern treten ein und verteilen sich in der Baracke, zum Teil um Platz raufend, Capo ab.)
     
    FRITZ (zu Ernst): Hast du gehört, wie der Lagerführer geflucht hat wie ein Rohrspatz, weil man uns im Lager Buchenau nur eine Decke mitgegeben hat, und weil wir so verdreckt und verlaust sind!
    ERNST: Hast schon recht, alter Optimist. Glaub nur immerzu, es kam was Besseres nach.
    FRITZ: Warum nicht? – du sag mir noch einmal was! Warst du nicht überzeugt, wir gehen ins Gas? Und inzwischen sind wir ja doch in ein normales Lager gekommen!
    ERNST: ES ist noch nicht aller Tage Abend. Sieh zu, daß du Capo wirst und friß dich dann nur aus -, wart dann, bis es zum Schluß kommt – dann legen sie uns ja doch noch alle miteinander um, wirst schon sehen.
    FRITZ: Bitte: wenn du mir’s beweisen kannst, daß es so noch kommt, dann reden wir weiter. Solang du mir’s nicht beweisen kannst, tu ich so, als ob ich sicher mit dem Leben davonkam.
    ERNST: Ich wart nicht bis zum letzten Augenblick – die Enttäuschung war zu furchtbar -
    FRITZ: Du meinst wohl, du könntest sie nicht überleben? (lacht)
    ERNST: Du kannst wenigstens noch witzig sein.
    PAUL (laut zu allen): Im Brotsack hab ich zwei Zigaretten gehabt! Vom letzten Prämienschein noch. Wo sind sie jetzt hin? Wer hat die schon wieder organisiert?!
    FRANZ: Das ewige Organisieren! Ich hätte geglaubt, wir sind Kameraden unter uns...
    KARL: Wer wird schon stehlen – wir sind doch lauter Landsleute hier beisammen.
    FRANZ: Erinnere dich nur an Otto...
    KARL: Mein Gott – der hat’s auch schon gebüßt.
    ERNST: Auch eine gerechte Weltordnung. – Wenn einer sich an einer Scheibe Wurst vergreift und deshalb ins Gas gehn soll...
    KANT (nachdem die drei Philosophen zugehört und sich dabei auch unter die Häftlinge gemengt haben): Läppische Leute, sage ich dir, Baruch. In der Ebene dieser irdischen Existenz, meinen sie, müsse die Rechnung aufgehen, zwischen Wohltun und Wohlstand, zwischen sittlichem Verdienst und Geldverdienen.
    SPINOZA: Beatitudo ipse virtus – Glück selbst ist auch eine Leistung; und nur der Anständige kann wahrhaft glücklich sein.
    KANT (ungeduldig): Ich weiß, ich weiß. Aber Sie projizieren ja erst recht alles in eine Ebene -, Sie mit Ihrem Monismus!
    SOKRATES: Meine Herren, streiten wir doch nicht. Hier steht doch etwas auf dem – Spiel!
    KANT: Ich bitte Sie, Sokrates, warum lernen die Menschen nichts dazu?!
    SOKRATES: Gewiß. Solange sie nicht philosophische Bücher lesen, werden sie ihre philosophischen Irrtümer mit Blut und Leid und Not und Tod bezahlen müssen. Aber bedenken Sie doch nur einmal: haben wir unsere philosophischen Weisheiten nicht auch mit Blut und Leid und Not und Tod bezahlen müssen? SPINOZA: Er hat recht, Herr Professor!
     
    CAPO (kommt zurück, reißt die Tür auf, brüllt in die Baracke): Bildet euch ja nicht ein, ihr verlausten Schweinehunde, daß ihr heut noch was zum Fressen faßt: unsere Küche war nicht vorbereitet auf euch stinkende Bande. (ab)
    ERNST: Prächtig – jetzt haben wir seit zwei Tagen nichts zu essen gekriegt, und jetzt können wir noch eine Nacht hinzuhungern, bis wir morgen das laue schwarze Wasser zu saufen bekommen.
    KARL (zu Franz): Franzl, Franzl, ich sag dir’s ja immer wieder: du hättest nicht mit mir gehen sollen.
    FRANZ: Ich hab nicht sollen, ich hab einfach müssen. Du weißt es ohnehin, wie es ist.
    KARL: Ja, ich kenn deine ewige Opferei. Und ich sag dir offen, sie geht mir bis daher. Zuerst hättest du nach Amerika auswandern können – aber nein: du wolltest unsere Familie nicht im Stich lassen. Und der Effekt? Um dich vor der Gestapo zu retten, hat sich die Schwester geopfert. Und am Tod der Evi ist der Vater gestorben, vor Kummer und Kränkung. Dann kam ich zum Handkuß. Und jetzt ist die Mutter allein. Weiß Gott, ob sie überhaupt noch lebt.
     
    MUTTER (klein, schlicht, mit einem Umhängtuch, traurig

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