Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
abgespeist.«
»Und nun sollen wir feiern?«
»Wir wissen jetzt, was passiert ist, Reacher. Das haben wir immer gefeiert.«
Reacher sagte nichts.
»Die Sache ist praktisch im Kasten«, erklärte O’Donnell. »Hab ich recht? Und weißt du, was fast komisch ist? Du hast gesagt, wir sollten mit Swans früherem Boss reden. Nun, ich glaube, dass wir das schon getan haben. Wer sonst sollte der Mann gewesen sein, mit dem du dieses Handygespräch geführt hast? Das war der Sicherheitsdirektor von New Age.«
»Vermutlich.«
»Wo liegt also das Problem?«
»Was hast du in diesem Hotelzimmer in Beverly Hills gesagt?«
»Weiß ich nicht mehr. Alles Mögliche.«
»Du hast gesagt, du wolltest auf die Gräber ihrer Vorfahren pissen.«
»Und das werde ich!«
»Das wirst du nicht«, widersprach Reacher. »Und ich und die anderen auch nicht. Was uns schwerfallen wird. Deshalb können wir nicht feiern.«
»Sie sind hier in der Stadt. Sie sind ein leichtes Ziel.«
»Sie haben sechshundertfünfzig funktionierende Elektronikpacke unter der Hand verkauft. Was natürlich Auswirkungen hat. Wer es auf die Technologie abgesehen hat, kauft einen Pack und baut ihn nach. Wer sechshundertfünfzig davon erwirbt, will auch die Raketen selbst. Und er kauft die Elektronik nur, weil er zur gleichen Zeit droben in Colorado die Raketen und Abschussvorrichtungen bekommt. Vor diesem Problem stehen wir hier. Irgendein Typ namens Azhari Mahmoud besitzt jetzt sechshundertfünfzig Fla-Raketen der neuesten Generation. Unabhängig davon, wer er ist, können wir uns denken, wofür er sie verwenden will. Für irgendein großes, ein brandgefährliches Unternehmen. Also müssen wir jemanden informieren, Leute.«
Niemand sprach.
»Und nachdem wir das getan haben, wimmelt es keine Minute später von FBI -Agenten. Dann dürfen wir ohne Erlaubnis nicht mal mehr über die Straße gehen – und können erst recht nicht losziehen, um uns diese Kerle zu schnappen. Wir müssen untätig zusehen, wie sie sich Anwälte nehmen und in den kommenden zehn Jahren drei anständige Mahlzeiten pro Tag bekommen, während alle ihre Berufungsverfahren laufen.«
Niemand sprach.
»Deshalb können wir nicht feiern«, sagte Reacher. »Sie haben sich mit den Sonderermittlern angelegt, und wir können ihnen nicht das Geringste anhaben.«
57
In dieser Nacht tat Reacher kein Auge zu. Keine Minute, keine Sekunde lang. Sie haben sich mit den Sonderermittlern angelegt, und wir können ihnen nicht das Geringste anhaben. Er warf sich im Bett herum und lag Stunde um Stunde wach. Trotz geöffneter Augen sah er alle möglichen Trugbilder und wurde von fiebrigen Halluzinationen heimgesucht. Calvin Franz, der ging, sprach und lachte, voller Auftrieb und Energie. Jorge Sanchez, die zusammengekniffenen Augen, die Andeutung eines Lächelns, der Goldzahn und der ständige Zynismus, der auf die Dauer so beruhigend wie unerschütterliche gute Laune war. Tony Swan, klein, breit, stämmig, ernsthaft, ein durch und durch anständiger Kerl. Manuel Orozco, die absurde Täto wierung, der falsche Akzent, die Witze und das metallische Klicken des unvermeidlichen Zippos.
Lauter Freunde.
Ungerächte Freunde.
Im Stich gelassene Freunde.
Dann gelangten andere in sein Blickfeld – alle so real, als schwebten sie unter der Zimmerdecke. Angela Franz, gepflegt, sorgfältig gekleidet, mit angstvoll geweiteten Augen. Der kleine Charlie in seinem Schaukelstuhl. Milena, die wie ein Gespenst aus der grellen Sonne ins Dunkel der Bar in Vegas eintauchte. Tammy Orozco auf ihrem Sofa. Ihre drei Kinder, die auf der Suche nach ihrem Vater verwirrt durch ihre verwüstete Wohnung streiften. In Reachers Vorstellung handelte es sich um zwei Mädchen und einen Jungen im Alter von neun, sieben und fünf Jahren. Swans Hund war da: mit seinem buschigen Schwanz wedelnd und mit tiefer Stimme bellend. Sogar Swans Briefkasten, der in der Sonne von Santa Ana leuchtete, sah er.
Um fünf Uhr morgens gab Reacher auf, zog sich an und verließ das Motel. Er marschierte auf dem Sunset Boulevard zornig nach Westen, hoffte, jemand werde ihn anrempeln oder ihm in die Quere kommen, damit er schimpfen und schreien und seine Frustration abreagieren konnte. Aber auf dem Gehsteig herrschte gähnende Leere. Um fünf Uhr morgens war in L.A. niemand zu Fuß unterwegs. Auch auf dem Boulevard gab es kaum Verkehr. Nur ein paar Klapperkisten, die Arbeiter transportierten, und eine knatternde Harley mit einem fetten grauhaarigen Fahrer in
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