Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
langsamer, streckte einen Arm aus dem Fenster und ließ seinen behandschuhten Zeigefinger wie ein Schiedsrichter kreisen, der beim Baseball einen Homerun anzeigt. Noch eine Runde . Nach drei Vierteln dieser letzten Runde deutete er auf den Randstein, an dem sie parken sollten. Erst Neagley, dann O’Donnell hinter ihr, anschließend Dixon. Sie bremsten, hielten und stellten ihre Motoren ab, als Reacher das Zeichen dazu gab, indem er sich mit der Handkante über die Kehle fuhr. O’Donnell machte sich die Mühe, bis ans Tor zu gehen, kam zurück und sagte: »Das Schloss ist verdammt groß.« Reacher saß weiter am Steuer des Chryslers, dessen Motor im Leerlauf brummte. Sein Fenster stand immer noch offen. Er sagte: »Je größer sie sind, desto tiefer fallen sie.«
»Versuchen wir, lautlos reinzukommen?«
»Nicht sehr«, erwiderte Reacher. »Wir treffen uns am Tor.«
Sie gingen voraus, und er ließ den Chrysler langsam hinter ihnen herrollen. Alle Straßen in der Umgebung der New-Age-Zentrale waren Asphaltbänder in der für neue Gewerbegebiete üblichen Standardbreite von sechs Metern. Ohne Gehsteige. Schließlich war dies L.A. Einundzwanzigtausend Meilen Straßen, aber vermutlich keine einundzwanzigtausend Meter Gehsteige. Vor dem Tor, das aufs Firmengelände führte, war eine Parkbucht angelegt, damit ankommende Fahrzeuge warten konnten, ohne die Straße zu versperren. Reacher schätzte die Entfernung zwischen Tor und gegenüberliegendem Bürgersteig auf zweiundvierzig Fuß. Der zahlenverrückte Teil seines Gehirns rechnete ihm sofort vor, das seien vierzehn Yards oder fünfhundertvier Zoll oder 0,795 Meilen oder ziemlich genau 12,20 Meter.
Reacher bog auf die Ausweichstelle ab und rangierte mehrmals hin und her, bis die vordere Stoßstange des Chryslers fast das Tor berührte. Dann fuhr er rückwärts, bis er spürte, dass der gegenüberliegende Randstein die Hinterreifen blockierte. Mit dem linken Fuß auf dem Bremspedal stellte er den Wählhebel wieder auf D und fuhr alle vier Fenster herunter. Die Nachtluft wehte frisch und kühl herein. Die anderen sahen ihn an, und er bedeutete ihnen, wo sie stehen sollten. Zwei links neben dem Tor, einer rechts davon.
»Gleich fängt die Uhr an zu ticken!«, rief er. »Zwei Minuten!«
Er ließ den Fuß auf dem Bremspedal und gab Vollgas, bis der ganze Wagen bebte, zitterte und schwankte. Dann nahm er abrupt den Fuß weg, sodass der Chrysler nach vorn schoss. Er legte die kurze zur Verfügung stehende Strecke mit quietschenden, durchdrehenden, rauchenden Reifen zurück und krachte frontal gegen das Tor. Das Schloss gab sofort nach, und das Tor sprang auf, während in dem Chrysler ungefähr ein Dutzend Airbags sich öffneten – aus dem Lenkrad, dem Instrumentenbrett, aus Streben, Dachkanten und Sitzen. Darauf war Reacher gefasst. Er lenkte mit einer Hand und hielt sich den anderen Arm schützend vors Gesicht. Den Fahrer-Airbag bremste er mit dem Ellbogen ab. Kein Problem. Die vier offenen Fenster ließen den Entfaltungsknall entweichen und retteten seine Trommelfelle. Trotzdem war der Knall ohrenbetäubend laut – als wäre man im Auto sitzend mit einem Revolver Kaliber .44 beschossen worden. Vor ihm an der Außenwand des Gebäudes begann eine blaue Blinkleuchte zu blitzen. Falls auch eine Sirene ertönte, konnte er sie nicht hören.
Reacher ließ das Gaspedal durchgetreten. Bei dem Aufprall war der Chrysler für Sekundenbruchteile langsamer geworden, aber jetzt beschleunigte er wieder mit durchdrehenden Reifen. Während er das Lenkrad umklammert hielt, riskierte er einen Blick in den Rückspiegel und sah die anderen in schnellem Tempo hinter sich herrennen. Er schaute wieder nach vorn, lenkte mit beiden Händen und zielte auf die Eingangstür.
Als er sie erreichte, war er fast achtzig Stundenkilometer schnell. Die Vorderräder prallten so gegen die niedrige Stufe, dass der ganze Wagen abhob und die Tür kniehoch über dem Boden durchstieß. Glas zersplitterte, der Türrahmen wurde herausgerissen, und der Chrysler schoss fast ungebremst weiter. Auch mit durchgetretenem Bremspedal schlitterte er beim Aufprall über den Schieferboden, demolierte die Empfangstheke völlig, ließ die Mauer hinter ihr einstürzen und kam, bis zum unteren Rand der Frontscheibe mit Ziegelbrocken bedeckt, zum Stehen, während Reste der zersplitterten Empfangstheke sich unter der Wagenmitte angesammelt hatten.
Was Dixons Recherchen erschweren dürfte, dachte Reacher.
Dann verdrängte er
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