Trouble - Ein Jack-Reacher-Roman
ähnlich.«
»Für seinen Hund. Der hatte Arthritis in den Hinterläufen. Hüften. Er hat ihm jeden Tag eine Vierteltablette Aspirin gegeben. Nach Auskunft des Apothekers tun das viele Besitzer alter Hunde. Vor allem großer Hunde.«
»Wie viel Aspirin hat er gekauft?«
»Die Sparpackung. Sechsundneunzig Tabletten eines Generikums.«
Dixon sagte: »Bei einer Vierteltablette pro Tag war das ein Vorrat für ein Jahr und neunzehn Tage.«
Reacher betrachtete die Aufnahme nochmals. Vier Kerle in entspannter Haltung, keine Eile, massenhaft Zeit, ein Routineeinkauf als Vorsorge für ein Haustier, die über ein Jahr weit in die Zukunft reichen sollte.
Sie haben’s nicht mal kommen sehen.
Wer oder was hatte sie in die Knie gezwungen?
»Kann ich dieses Bild behalten?«, fragte er.
»Wozu?«, wollte Mauney wissen. »Sehen Sie etwas darauf?«
»Vier meiner alten Freunde.«
Mauney nickte. »Okay, behalten Sie’s. Es ist eine Kopie.«
»Wie geht’s weiter?«
»Sie bleiben hier«, erwiderte Mauney. Er klappte seinen Aktenkoffer zu, ließ die Schlösser zuschnappen. In der Stille war dieses Geräusch sehr laut. »Sie bleiben sichtbar und rufen mich an, falls Sie jemanden herumschnüffeln sehen. Keine selbstständigen Ermittlungen mehr, verstanden?«
»Wir sind nur zur Beerdigung hier«, sagte Reacher.
»Aber wessen Beerdigung?«
Darauf gab Reacher keine Antwort. Er stand auf, drehte sich um und betrachtete erneut das Foto von Raquel Welch. In dem Bilderglas spiegelte sich die Hotelhalle, und er verfolgte, wie Mauney aus seinem Sessel aufstand und die anderen seinem Beispiel folgten. Um aufstehen zu können, muss ein Sitzender etwas nach vorn rutschen, sodass eine Gruppe automatisch näher zusammenrückt. Als Nächstes machen alle einen Schritt rückwärts, wenden sich ab, gehen auseinander, vergrößern den Kreis, respektieren die Privatsphäre der anderen. Neagley reagierte natürlich als Erste und am schnellsten. Mauney schlängelte sich zwischen zwei Sesseln hindurch in Richtung Ausgang. O’Donnell war in entgegengesetzter Richtung ins Innere des Hotels gegangen. Dixon bewegte sich parallel zu ihm: klein, flink, leichtfüßig, einem Couchtisch ausweichend.
Nur Thomas Brant war in Gegenrichtung unterwegs.
Auf ihn zu.
Reacher hielt seinen Blick auf die Glasscheibe vor dem Bild Raquel Welchs gerichtet. Beobachtete Brants Spiegelbild. Er wusste sofort, was passieren würde. Brant würde ihm mit der linken Hand auf die rechte Schulter tippen. Daraufhin sollte Reacher sich fragend umdrehen und eine krachende Gerade mitten ins Gesicht bekommen.
Brant kam näher. Reacher konzentrierte sich auf den Goldring, der die beiden Hälften von Raquels Bikiniober teil zusammenhielt. Brants linke Hand schob sich nach vorn, seine rechte wurde etwas zurückgenommen. Der Zeigefinger seiner Linken war ausgestreckt, und seine Rechte bildete eine Faust von der Größe eines Softballs. Gut, aber keine großartige Angriffstechnik. Reacher spürte, dass Brant keineswegs ideal stand. Brant war ein Schläger, kein Boxer. Ohne es zu erkennen, verringerte er seine Kampfkraft so um die Hälfte.
Brant tippte ihm auf die Schulter.
Weil Reacher damit gerechnet hatte, warf er sich unerwartet schnell herum und fing Brants rechte Gerade mit der linken Hand einen Viertelmeter vor seinem Gesicht ab. Als finge ein Infielder einen Schlag die Linie entlang mit der bloßen Hand. Hinter dieser Geraden steckte einiges an Gewicht. Sie traf laut klatschend in Reachers Handfläche. Den brennenden Schmerz spürte er bis in die Armsehnen.
Dann ging es um übermenschliche Selbstbeherrschung.
Reachers Killerinstinkt und sein Muskelgedächtnis forderten einen Kopfstoß gegen Brants gebrochene Nase. Diese Reaktion verstand sich von selbst. Man nutzte das körpereigene Adrenalin. Man winkelte den Oberkörper in der Hüfte ab, hatte dann gewaltig Schwung, setzte seine Stirn als Waffe ein. Reacher, der diese Methode schon mit fünf Jahren perfekt beherrscht hatte, konnte fast nicht anders reagieren.
Aber Reacher beherrschte sich.
Er blieb einfach stehen, hielt Brants geballte Faust mit seiner Linken umklammert. Er sah Brant in die Augen, atmete langsam aus und schüttelte den Kopf.
»Ich habe mich bereits entschuldigt«, sagte er. »Und ich tue es jetzt noch mal. Genügt Ihnen das nicht, warten Sie gefälligst, bis diese Sache vorbei ist, okay? Ich bleibe noch eine Weile da. Sie können ein paar Kumpel zusammentrommeln und zu dritt über mich herfallen,
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