Troubles (German Edition)
zierlich tänzelndes Pferd waren ihm schon aus Angelas Briefen bekannt. Es war Königin Viktoria, und zumindest sie sah ganz genauso aus, wie er sie sich vorgestellt hatte.
Der Major hatte es für denkbar gehalten, dass seine »Verlobte« hinter der Tür darauf wartete, ihn zu umarmen – eine massive Tür aus geschnitzter Eiche, die gar nicht so einfach aufzustemmen war. Doch im Inneren keine Spur von ihr.
Am Fuße der weit ausgreifenden Treppe stand eine weitere Statue, diesmal eine Venus; Kopf und Schultern hatten vom Staub eine dunklere Färbung angenommen, auch die mehr nach oben gerichteten Teile der marmornen Brüste und Pobacken. Nervös, erschöpft kniff der Major die Augen zusammen und besah sich die schäbige Pracht der Hotelhalle, die eingestaubten vergoldeten Cherubim, die roten Plüschsofas, die halb blinden Spiegel.
»Wo stecken nur alle?«, fragte er sich. Kein Mensch ließ sich blicken, und so setzte er sich auf eines der Sofas, den Koffer zwischen den Knien. Eine feine Staubwolke stieg rings um ihn auf.
Nach einer Weile stand er wieder auf und fand auf dem Empfangstisch eine Glocke, die er läutete. Das Echo ihres Klangs tönte über die verstaubten Fliesen, verlor sich in düsteren teppichbelegten Korridoren, verhallte durch offenstehende zweiflügelige Türen in Salons und Bars und Herrenzimmern, stieg aufwärts durch Windung um Windung der breiten geschwungenen Treppe (wo ein paar von den Teppichstangen aus Messing fehlten, sodass der Läufer gefährliche Wellen schlug), bis es schließlich die Kammern der Dienstmädchen erreichte und dann in den Gewölben hoch über seinem Haupt anlangte (so weit oben, dass er das elegante goldene Maßwerk kaum noch erkennen konnte); und von dieser Decke hing eine unglaublich lange Kette, lief an all den Spiralwindungen von Etage zu Etage vorbei bis hinab zu dem großen gläsernen Kronleuchter nur ein paar Zollbreit über seinem Kopf, einem Leuchter besetzt mit ausgebrannten Glühbirnen. Kurz klirrte einer der gläsernen Klunker leise an seinem Ohr. Dann war wieder alles still außer dem Tick-Tack einer alten Pendeluhr, die über der Rezeption die falsche Zeit anzeigte.
»Ich werde wohl besser den Gong hier schlagen«, sagte er sich. Und das tat er. Ein donnernder Schlag durchdrang die Stille. Mächtig breitete er sich aus, der Major konnte spüren, wie dieser Klang anschwoll, wie eine Frucht so gewaltig, dass sie schon bald zu sämtlichen Fenstern herausquellen würde. Ein Schaudern durchlief ihn, denn er musste an den ersten Kugelhagel zu Beginn eines Gefechtes denken. »Ich bin müde«, dachte er. »Warum kommt bloß keiner?«
Doch nicht lange, und ein rundliches, rotgesichtiges Dienstmädchen erschien und fragte ihn, ob er Major Archer sei. Miss Spencer erwarte ihn im Palmenhaus. Der Major ließ seinen Koffer zurück und folgte ihr einen dunklen Gang hinunter; jetzt fürchtete er sich doch ein wenig vor diesem so lange hinausgeschobenen Wiedersehen mit seiner »Verlobten«. »Na, sie wird schon nicht beißen«, sagte er sich schneidig. »Zumindest nimmt man das doch an.« Trotzdem schlug ihm heftig das Herz.
Das Palmenhaus erwies sich als weite, düstere Höhle, in der verstaubte weiße Sessel in Gruppen beieinanderstanden, still und ungenutzt, gerade noch zwischen dem düsteren Grün auszumachen. Denn die Palmen waren ins Uferlose gewuchert, waren aus ihren Holzkübeln (von denen manche aufgebrochen waren, sodass kleine Kegel aus schwarzer Erde auf den Fliesenboden gerieselt waren) in die Höhe zu dem fernen, trüben Oberlicht geschossen, wo sie nun, ineinander verflochten, an das grünliche Glas pochten, das dort oben grämlich glomm. Hie und da zwischen den Tischen beherbergten schimmeltriefende Beete Bananen- oder Gummibäume, Schildfarn, Elefantengras und Schlingpflanzen, die von oben herabhingen wie smaragdgrünes Gedärm. An manchen Stellen klangen die Fliesen unter seinen Schritten hohl – wahrscheinlich lag darunter ein Röhrensystem, überlegte der Major, das diesen Dschungel mit Wasser versorgte. Aber jetzt war er da.
An einem der Tische erwartete Angela ihn mit einem wächsernen Lächeln und der Hoffnung, dass er eine gute Reise gehabt habe. Das erste, was er spürte, war Enttäuschung. Hier unten war es so düster, dass der Major gar nicht recht sehen konnte, was für ein Gesicht sie machte, aber ein wenig überrascht (wie auch immer ihre Miene sein mochte) war er doch über die Förmlichkeit dieses Grußes. Er hätte ebenso gut ein
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