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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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dass dies sich am Ende als der Zweck seines Besuches erweisen würde. Doch nichts Bestimmtes war besprochen.
    Der Major hatte Angela 1916 auf Heimaturlaub in Brighton kennengelernt, wo sie bei Verwandten zu Besuch war. Inzwischen konnte er sich an diese Begegnung nur noch dunkel erinnern, benommen wie er war von dem gewaltigen, unablässigen Donnern der Geschütze, das ihr vorausgegangen und auch wieder gefolgt war. Sie waren ein wenig hysterisch gewesen – Angela hatte vielleicht geglaubt, dass auch sie inmitten von all dem Patriotismus etwas ganz Persönliches haben müsse, das sie verlieren konnte, und der Major, dass er doch wenigstens einen einzigen Grund zum Überleben brauchte. Er wusste noch, wie er ihr versichert hatte, er werde zu ihr zurückkehren, aber sonst wusste er nicht mehr viel. Genauer gesagt war das einzige, was ihm noch deutlich vor Augen stand, der Abschied auf einem nachmittäglichen Tanztee in einem Brightoner Hotel. Sie hatten sich im Schutz einer Laube geküsst, und als er die Hand ausstreckte, um sich zu stützen, hatte er genau in einen Kaktus gegriffen, wodurch manches an seinen Abschiedsworten einen etwas gekünstelten Ton angenommen hatte. Es hatte dermaßen wehgetan, dass er nur noch fortwollte. Doch der erstickte Schmerzensschrei hatte vielleicht einen falschen Eindruck von seinen Gefühlen gegeben.
    Zwar war er sich sicher, dass er in den wenigen Tagen ihrer Bekanntschaft Angela keinen Antrag gemacht hatte, doch stand unzweifelhaft fest, dass sie verlobt waren – eine Gewissheit, die allein schon darin Bestätigung fand, dass sie ihre Briefe von Anfang an mit »in Liebe, Deine Verlobte Angela« unterzeichnet hatte. Zuerst hatte ihn das verwundert. Doch wo der Pesthauch des Todes durch den Unterstand zog, in dem er bei Kerzenlicht seine Antworten kritzelte, wäre es kleinlich, ja taktlos gewesen, auf solchen rein konventionellen Feinheiten zu beharren.
    Angela hatte kein Talent zum Schreiben. Nie hätte man in ihren Briefen etwas von den Gefühlen gefunden, die in jenem Urlaub im Jahr 1916 zwischen ihnen bestanden hatten. Bestimmte Formeln, etwa »Von Tag zu Tag vermisse ich Dich mehr«, kehrten immer wieder, oder »Ich bete für Deine wohlbehaltene Rückkehr, Brendan«, was in jedem ihrer Briefe stand, zusammen mit nüchternen Berichten über Alltäglichkeiten: wie sie bei Switzer in Dublin Röcke für die Zwillinge gekauft hatte zum Beispiel, oder die Installation eines Generators für elektrisches Licht (Marke »Do More«), des ersten in Irland, wodurch, dessen seien sie sicher, das Majestic sich seinen Ruf als Luxushotel zurückerobern werde. Jedes persönliche Wort, jedes Gefühl wurde auf diese Weise gründlich vermieden. Dem Major machte das nicht viel aus. Er war misstrauisch gegenüber allem Sentimentalen und hatte schon immer die Fakten vorgezogen – und gerade an Fakten fehlte es dieser Tage seinem schwer gepeinigten Verstand (er hatte mit einem Grabenkoller im Krankenhaus gelegen). Alles in allem hatte er also gar nichts dagegen, dass er die Größe und Farbe der neuen Röcke für die Zwillinge erfuhr oder alles über Namen, Rassen, Alter und Gesundheitszustand von Edward Spencers zahlreichen Hunden. Viel erfuhr er auch über Angelas Freunde und Bekannte in Kilnalough, obwohl es natürlich immer wieder vorkam, dass in seinem löchrigen Gedächtnis ganze Sparten von Sachwissen vorübergehend verschwanden und dann an anderer Stelle wieder auftauchten, wie es dem Vernehmen nach in der Südsee mit manchen vulkanischen Inseln geschieht.
    Mehrere Monate lang hatte er jede Woche einen Brief erhalten und ein bemerkenswertes Geschick entwickelt, jeweils die neuen Fakten herauszudestillieren, ja sogar manchmal an ihnen vorbei in tiefere Gefilde zu schauen, wo sich bisweilen eine Emotion regte wie am Grunde eines Gewässers ein Hecht. Zum Beispiel kam vielleicht wieder einmal eine Aufzählung von Edwards Hunden: Rover, Toby, Fritz, Haig, Woof, Puppy, Bran, Flash, Laddie, Foch und Collie. Aber wo, fragte er sich, war Spot geblieben? Spot, wo bist du? Warum fehlst du beim Appell? Doch dann fiel ihm, halb besorgt und halb amüsiert, wieder ein, dass in einem früheren Brief der Tierarzt hatte kommen müssen, weil Spot »ein wenig Staupe« hatte, aber der Arzt hatte befunden, es sei »nichts Ernstes«. Auf diese Weise knüpfte er sich, Fädchen um Fädchen, einen bunten Teppich von Angelas Leben im Majestic. Bald kannte er dieses Hotel so gut, dass er, als er sich Anfang Juli auf den

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