Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
der Polizeiakademie zu melden.«
    »Ach zum Teufel, nein«, sagte Marino, als er das Gaspedal durchdrückte. »Wir fahren zu deinem Büro.«

Kapitel 13
    Der Überfall auf das Atomkraftwerk Old Point war in einem entsetzlichen Handstreich erfolgt, und wir hörten ungläubig die Nachrichten, während Marino durch die Stadt raste. Wir brachten kein Wort heraus, als ein fast schon hysterischer Reporter vor Ort, mit einer Stimme etliche Oktaven über seinem Normalton, Bericht erstattete.
    »Das Atomkraftwerk Old Point ist von Terroristen überfallen worden«, wiederholte er. »Es geschah vor etwa einer Dreiviertelstunde, als ein Bus mit mindestens zwanzig Männern eintraf, die sich als Angestellte von CP&L ausgaben und das Gebäude der Hauptverwaltung stürmten. Dabei sind vermutlich mindestens drei Unbeteiligte ums Leben gekommen.« Seine Stimme zitterte, und wir konnten die Geräusche von Hubschraubern über ihm in der Luft hören. »Ich sehe überall Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge, aber sie kommen nicht nahe genug heran. Oh, mein Gott, es ist entsetzlich…«
    Marino parkte vor meinem Gebäude. Eine Zeitlang konnten wir uns nicht rühren und lauschten nur immer wieder den gleichen Informationen. Es kam mir so unwirklich vor, denn weniger als hundertfünfzig Kilometer von Old Point entfernt, hier in Richmond, war es ein strahlender Nachmittag. Der Verkehr war normal, und die Menschen spazierten auf den Bürgersteigen, als wäre nichts geschehen. Ich starrte ins Leere, überflog in Gedanken Listen, was ich zu tun hatte.
    »Komm schon, Doc.« Marino stellte den Motor ab. »Gehen wir rein. Ich muß telefonieren, um einen meiner Lieutenants zu erwischen. Ich muß ein paar Dinge in Bewegung setzen für den Fall, daß in Richmond die Lichter ausgehen oder Schlimmeres passiert.«
    Ich mußte selbst einiges in Bewegung setzen und begann damit, alle im Konferenzraum zu versammeln, wo ich für den ganzen Bundesstaat den Ausnahmezustand erklärte. »Jeder Bezirk muß in Bereitschaft sein, um jederzeit seinen Teil des Katastrophenplans zu erfüllen«, verkündete ich allen im Raum. »Eine Atomkatastrophe könnte alle Bezirke betreffen. Tidewater ist natürlich am meisten gefährdet und am schlechtesten besetzt. Dr. Fielding«, sagte ich zu meinem Stellvertreter, »ich möchte Sie mit der Leitung von Tidewater betrauen. Sie haben Weisungsbefugnis, wenn ich nicht dort sein kann.«
    »Ich werde mein möglichstes tun«, sagte er tapfer, obwohl kein vernünftiger Mensch den Posten hätte haben wollen, den ich ihm gerade übertragen hatte.
    »Nun, ich werde nicht immer vorher genau sagen können, wo ich während dieser Geschichte sein werde.« Ich schaute in die besorgten Gesichter. »Hier läuft der Betrieb weiter wie normal, aber ich möchte, daß alle Leichen hierhergebracht werden. Alle Leichen aus Old Point, meine ich, angefangen mit den Opfern des Schußwechsels.«
    »Wie ist es mit anderen Fällen aus Tidewater?« wollte Fielding wissen.
    »Routinefälle werden wie üblich behandelt. Soviel ich weiß, haben wir einen weiteren Autopsietechniker, der einspringen kann, bis wir einen festen Ersatz haben.«
    »Besteht die Möglichkeit, daß die Leichen, die Sie hier haben wollen, eventuell kontaminiert sind?« fragte mein Verwalter, der sich stets Sorgen machte.
    »Bis jetzt geht es nur um Opfer einer Schießerei«, sagte ich. »Und die können nicht kontaminiert sein.«
    »Nein.«
    »Aber wie ist es dann später?« beharrte er.
    »Geringfügige Kontaminierung ist kein Problem. Wir schrubben die Leichen bloß ab und entsorgen das Seifenwasse r und die Kleidung. Akute Strahlenexposition ist etwas anderes, besonders wenn die Leichen schwere Verbrennungen haben, wenn Unrat in sie eingebrannt ist, wie es in Tschernobyl war. Diese Leichen müssen in einem speziellen Kühlwagen abgeschirmt werden, und alle Beteiligten tragen bleigefütterte Anzüge.«
    »Verbrennen wir diese Leichen?«
    »Das würde ich empfehlen. Was ein weiterer Grund dafür ist, sie hierher nach Richmond zu bringen. Wir können das Krematorium in der Anatomieabteilung benutzen.«
    Marino steckte seinen Kopf ins Konferenzzimmer. »Doc?« E r winkte mich zu sich.
    Ich erhob mich. Wir redeten im Vorraum.
    »Benton möchte, daß wir sofort nach Quantico kommen« , sagte Marino.
    »Also, sofort geht es nicht«, meinte ich.
    Ich blickte in das Konferenzzimmer. Durch die Türöffnung sah ich, wie Fielding etwas vortrug, während einer der anderen Ärzte angespannt und

Weitere Kostenlose Bücher