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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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»Am Ende werden sie alle erschießen.«
    Ich mußte an all diese armen Leute denken, die mit jedem Atemzug von Todesangst befallen wurden. Ich wußte um die körperlichen und geistigen Anzeichen von Angst, hatte die Bilder vor Augen und kochte innerlich. Ich spürte eine Woge des Hasses auf diese Männer, die sich die Neuen Zionisten nannten, und ballte meine Fäuste.
    Wesley blickte auf meine weißen Knöchel und dachte, ich hätte Flugangst. »Es sind nur noch ein paar Minuten«, sagte er. »Wir beginnen schon mit der Landung.«
    Wir landeten auf dem Kennedy Airport, und ein Shuttle wartete auf der Rollbahn auf uns. Er wurde von zwei anderen durchtrainierten Männern in Anzügen gefahren, und ich fragte Wesley nicht nach ihnen, weil ich es bereits wußte. Einer von ihnen begleitete uns zum Terminal von British Airways, die so nett gewesen waren, mit dem FBI zusammenzuarbeiten, oder vielleicht war es das Pentagon, indem sie uns zwei Plätze auf der nächsten Concorde nach London zur Verfügung gestellt hatten. Am Schalter zeigten wir diskret unsere Ausweise und versicherten, daß wir keine Waffen dabei hatten. Der Agent, der uns bewachen sollte, ging mit uns in die Lounge, und als ich das nächstemal nach ihm sah, blätterte er in einem Stapel ausländischer Zeitungen.
    Wesley und ich fanden einen Platz vor breiten Fenstern, die auf das Rollfeld gingen, wo das Überschallflugzeug wie ein riesiger weißer Reiher wartete, während ihm über einen dicken Schlauch an der Seite Treibstoff zugeführt wurde. Die Concorde erinnerte mehr als alle anderen Flugzeuge, die ich gesehen hatte, an eine Rakete. Es kam mir so vor, als machte das oder auch alles andere auf die meisten Passagiere gar keinen Eindruck mehr. Sie nahmen sich Gebäck und Obst, und einige mixten sich schon Bloody Marys und Mimosas.
    Wesley und ich sprachen wenig und musterten beständig die Menge, während wir Zeitungen vor uns hielten, wie jeder sprichwörtliche Spion oder Verbrecher auf der Flucht. Ich merkte, daß er vor allem Leute aus dem Mittleren Osten ins Auge faßte, während ich mehr auf die achtete, die wie wir aussahen, denn ich erinnerte mich an Joel Hand von jenem Tag, als ich ihn vor Gericht gesehen und ihn attraktiv und elegant gefunden hatte. Wenn er jetzt neben mir säße und ich ihn nicht kennen würde, er würde eher als wir in diese Lounge passen, dachte ich.
    »Wie geht es dir?« Wesley ließ seine Zeitung sinken. »Ich weiß nicht.« Ich war aufgeregt. »Sag mir, sind wir allein oder ist dein Freund noch da?« In seinen Augen lag ein Lächeln. »Ich verstehe nicht, was daran erheiternd sein soll.«
    »Du hast also geglaubt, der Geheimdienst wäre in der Nähe. Oder Undercover-Agenten.«
    »Verstehe. Ich nehme an, der Mann im Anzug, der uns hierher gebracht hat, gehört zu einem Spezialservice von British Airways.«
    »Laß mich deine Frage so beantworten. Wenn wir nicht allein sind, Kay, werde ich dir das nicht sagen.«
    Wir sahen uns einen Augenblick länger an. Noch nie waren wir zusammen ins Ausland gereist, und dies schien nicht der günstigste Zeitpunkt, damit zu beginnen. Benton trug einen blauen Anzug, so dunkelblau, daß er fast schwarz war, sein übliches weißes Hemd und eine konservative Krawatte. Ich hatte mich ebenso seriös angezogen, und wir beide hatten unsere Brillen aufgesetzt. Ich dachte, wir sähen wie die Partner einer Anwaltskanzlei aus, und als mir andere Frauen im Raum auffielen, wurde ich daran erinnert, daß ich keinesfalls wie eine Ehefrau aussah. Papier raschelte, als er die Times zusammenfaltete und auf seine Uhr blickte. »Ich glaube, das sind wir«, sagte er und stand auf, als Flug Nr. 2 erneut aufgerufen wurde.
    In der Concorde nahmen hundert Menschen in zwei Kabinen mit zwei Sitzen auf jeder Seite des Ganges Platz. Die vorherrschende Farbe war ein gedämpftes Grau für Teppichboden und Ledersitze, und die Raumschiffenster waren zu klein, um hinausschauen zu können. Die Stewardessen und Stewards waren von britischer Höflichkeit, und wenn sie wußten, daß wir die beiden Passagiere vom FBI, von der Navy oder, wer weiß, der CIA waren, zeigten sie das in keiner Weise. Ihre einzige Sorge schien unseren Getränkewünschen zu gelten, und ich bestellte Whiskey.
    »Ein bißchen früh, oder?« sagte Wesley.
    »In London nicht«, sagte ich zu ihm. »Dort ist es fünf Stunden später.«
    »Danke. Ich werde meine Uhr umstellen«, sagte er trocken, als sei er in seinem ganzen Leben noch nie irgendwo gewesen.

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