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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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»Ich denke, ich nehme ein Bier«, sagte er zu der Stewardeß. »So, da wir jetzt in der richtigen Zeitzone sind, fällt das Trinken leichter.« Ich konnte die kleine Schärfe aus meiner Stimme nicht heraushalten.
    Er wandte sich mir zu und begegnete meinem Blick. »Du klingst wütend.«
    »Deshalb erstellst du Profile, weil du solche Sachen herausfinden kannst.«
    Er blickte sich verstohlen um, aber auf der anderen Gangseite saß niemand, und mir war es ziemlich egal, wer hinter uns saß.
    »Können wir vernünftig reden?« fragte er leise. »Es ist schwer, vernünftig zu bleiben, Benton, wenn du immer erst nach vollendeten Tatsachen reden willst.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe, was du meinst. Ich glaube, da ist irgendwo ein Kommunikationsproblem.« Ich wollte es ihm heimzahlen. »Alle wußten von deiner Trennung, außer mir«, sagte ich. »Lucy mußte es mir erzählen, weil sie es von anderen Agenten gehört hat. Ich möchte einfach einmal an unserer Beziehung beteiligt werden.«
    »Herrgott, mir wäre lieber, du würdest dich nicht so aufregen.«
    »Ich rege mich nicht halb so sehr auf, wie mir wirklich zumute ist.«
    »Ich hab's dir nicht gesagt, weil ich von dir nicht beeinflußt werden wollte«, sagte er.
    Wir sprachen leise, leicht zueinander gebeugt, so daß sich unsere Schultern berührten. Trotz der ernsten Umstände nahm ich jede seiner Bewegungen wahr und die Gefühle, die sie in mir auslösten. Ich roch die Wolle seiner Jacke und das Rasierwasser, das er gerne benutzte.
    »Jede Entscheidung über meine Ehe darf dich nicht einbeziehen«, fuhr er fort, als die Getränke kamen. »Das mußt du verstehen, weißt du.«
    Mein Körper war um diese Stunde keinen Alkohol gewöhnt, und die Wirkung war rasch und stark. Ich entspannte mich augenblicklich und schloß die Augen während des Startlärms, als der Jet vibrierend in die Luft donnerte. Von da an war die Welt unten nichts als ein verschwommener Horizont, wenn ich überhaupt etwas aus dem Fenster erkennen konnte. Das Geräusch der Triebwerke blieb laut und zwang uns, weiterhin sehr dicht aneinanderzurücken, während wir weiterredeten.
    »Ich weiß, was ich für dich empfinde«, sagte Wesley. »Ich weiß das schon sehr lange.«
    »Du hast kein Recht«, meinte ich. »Du hattest nie ein Recht.«
    »Und was ist mit dir? Hattest du ein Recht, das zu tun, was du getan hast, Kay? Oder war ich der einzige im Bett?«
    »Zumindest bin ich nicht verheiratet oder mit jemanden zusammen«, sagte ich. »Aber nein, ich hätte es nicht tun sollen.« Er trank weiter sein Bier, und keiner von uns war interessiert an Kanapees und Kaviar, die nur die erste Runde einer langen Gourmetveranstaltung bildeten. Eine Zeitlang schwiegen wir, blätterten in Illustrierten und Fachzeitschriften, und beinahe alle anderen in unserer Kabine taten das gleiche. Mir fiel auf, daß die Menschen in der Concorde nicht viel miteinander redeten, und ich beschloß, daß reich, berühmt oder von Adel zu sein, ziemlich langweilig sein mußte.
    »Also ich schätze, den Punkt haben wir geklärt«, begann Wesley wieder, der sich näher zu mir beugte, während ich ein Stück Spargel aufspießte.
    »Welchen Punkt?« Ich ließ meine Gabel sinken, weil ich Linkshänderin und er mir im Weg war.
    »Du weißt schon. Was wir tun und nicht tun sollten.« Er streifte mit dem Arm gegen meine Brust, und dann blieb sein Arm dort, als ob alles, was wir vorher gesagt hatten, bei doppelter Schallgeschwindigkeit ungültig geworden sei. »Ja«, sagte ich.
    »Ja?« Seine Stimme klang neugierig. »Was soll das heißen, ja?«
    »Ja zu dem, was du gerade gesagt hast.« Mit jedem Atemzug drückte sich mein Körper gegen ihn. »Daß wir die Dinge kläre n müssen.«
    »Dann machen wir das«, pflichtete er bei.
    »Selbstverständlich«, sagte ich, nicht ganz sicher, was wir gerade vereinbart hatten. »Noch eines«, fügte ich hinzu. »Wenn du je geschieden wirst und wir uns wieder sehen wollen, fangen wir von vorn an.«
    »Ganz klar. Das ist goldrichtig.«
    »In der Zwischenzeit bleiben wir Kollegen und Freunde.«
    »Das ist genau das, was ich will«, meinte er.
    Um halb sieben fuhren wir durch die Park Lane. Wir saßen stumm auf dem Rücksitz eines Rover, der von einem Beamten der Metropolitan Police gefahren wurde. Aus der Dunkelheit des Wagens betrachtete ich die Lichter Londons, war desorientiert und hellwach. Der Hyde Park war wie ein schwarzer See, mit blassen Lampenflecken an den gewundenen Wegen. Die Wohnung,

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