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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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herausgefunden hätte«, meinte Lucy, »hätten sie es nie durchziehen können.«
    »Sehr richtig«, sagte ich. »Wenn jemand von uns es rechtzeitig herausbekommen hätte, würde das jetzt nicht passieren.« Ich sah einer Frau im Laborkittel zu, wie sie Totos Arme so steuerte, daß sie eine Schachtel aufhoben. »Sag mir«, fragte ich, »wie hat sich Loren McComb benommen, als Janet sie verhört hat?«
    »Abgeklärt. Absolut keine Emotionen.«
    »Hands Leute sind sehr mächtig.«
    »Das stimmt wohl, wenn du in der einen Minute deinem Freund helfen kannst und sie dich in der nächsten dazu verleiten, ihn umzubringen.« Lucy sah ebenfalls ihrem Roboter zu und schien von dem, was sie sah, nicht erfreut zu sein. »Also, wo auch immer das FBI Mrs. McComb festhält, es ist hoffentlich ein Ort, an dem die Neuen Zionisten sie nicht aufspüren können.«
    »Sie ist in Sicherheitsunterbringung«, sagte Lucy, als Toto plötzlich auf seinem Weg stehenblieb und die Schachtel schwer auf den Boden plumpste. »Auf wieviel Umdrehungen pro Minute habt ihr das Schultergelenk eingestellt?« rief sie. »Acht.«
    »Senkt auf fünf. Verdammt.« Sie rieb sich wieder das Gesicht. »Mehr brauchen wir nicht.«
    »Also, ich gehe jetzt wieder zurück ins Jefferson«, sagte ich und stand auf.
    Sie blickte mich sonderbar an. »Übernachtest du wie üblich im Sicherheitstrakt?« fragte sie. »Ja.«
    »Ich schätze, das tut nichts zur Sache, aber dort ist auch Loren McComb untergebracht«, sagte sie.
    Tatsächlich befanden sich meine Räumlichkeiten neben ihren, aber im Gegensatz zu mir war sie eingeschlossen. Als ich mich im Bett aufsetzte, um noch ein bißchen zu lesen, konnte ich ihren Fernseher durch die Wand hören. Ich hörte, wie sie durch die Programme zappte, und erkannte dann die Klänge von »Star Trek«. Sie schaute sich die Wiederholung einer alten Folge an. Für einige Stunden waren wir nur ein paar Meter voneinander entfernt, doch sie wußte es nicht. Ich stellte sie mir vor, wie sie Salzsäure und Zyankali in einer Flasche mischte und Gas in den Einsaugstutzen des Kompressors einleitete. Fast gleichzeitig mußte der lange, schwarze Schlauch im Wasser heftig gezuckt haben, und dann hatte ihn wohl nur noch die träge Strömung des Flusses bewegt. »Sieh das im Schlaf«, sagte ich zu ihr, obwohl sie mich nich t hören konnte. »Für den Rest deines Lebens sollst du das im Schlaf sehen. Jede einzelne verdammte Nacht.« Zornig schaltete ich meine Lampe aus.

Kapitel 16
    Früh am nächsten Morgen lag dichter Nebel unter meinen Fenstern, und in Quantico war es ruhiger als sonst. Ich hörte keinen einzigen Schuß von den Schießanlagen, und es schien, als würden die Marines ausschlafen. Als ich durch die doppelten Glastüren zu den Aufzügen ging, hörte ich, wie die Sicherheitsschlösser an der Tür neben meinem Zimmer klickten. Ich drückte den Abwärts-Knopf und schaute mich um. Zwei Agentinnen in Hosenanzügen flankierten eine hellhäutige Schwarze, die mir direkt ins Gesicht starrte, als wären wir einander schon begegnet. Loren McComb hatte herausfordernde dunkle Augen, und sie war innerlich von Stolz erfüllt, als wäre das die Quelle, die ihr das Überleben ermöglichte und alles, was sie tat, zum Gedeihen brachte. »Guten Morgen«, sagte ich unbeteiligt.
    »Dr. Scarpetta«, begrüßte mich eine der Agentinnen ernst, als wir vier in den Aufzug traten.
    Wir schwiegen bis zum Erdgeschoß, und ich roch die säuerlichen Ausdünstungen der Frau, die Joel Hand das Bombenbasteln beigebracht hatte. Sie trug enge, verwaschene Jeans, Turnschuhe und eine großzügig geschnittene weiße Bluse, die dennoch den eindrucksvollen Körperbau nicht verbergen konnte, der mit zu Eddings' fatalem Irrtum beigetragen haben mußte. Ich stand hinter ihr und ihren Bewacherinnen und sah nur einen schmalen Ausschnitt ihres Gesichts. Sie leckte sich oft die Lippen, starrte stur geradeaus auf Türen, die sich mir nicht schnell genug öffnen konnten.
    Das Schweigen breitete sich so dicht aus wie der Nebel draußen, und dann wurden wir ins Erdgeschoß entlassen. Ich ließ mir Zeit mit dem Weggehen und beobachtete die beiden Agentinnen, wie sie McComb abführten, ohne sie mit einem Finger zu berühren. Das brauchten sie auch nicht, denn wenn nötig, konnten sie das sofort tun. Sie eskortierten Loren McComb über einen Korridor und bogen dann in einen der unzähligen überdachten Flure ab, die Mäusegänge genannt wurden. Ich war überrascht, als sie innehielt, um

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