Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
wird, wie ich es gewöhnlich tue.«
    »Also für mich klingt das, als solltest du eingeschüchtert werden«, sagte Lucy.
    »Ich glaube, darauf lief es hinaus«, stimmte ich zu. »Hast du es unter der Telefonnummer probiert, die dieser nichtexistierende Officer Young dir gegeben hat?« fragte sie. »Nein«, sagte ich. »Wo ist sie?«
    Ich holte sie ihr, und sie wählte.
    »Es ist die Nummer des lokalen Wetterberichts«, sagte sie und legte auf.
    Marino zog einen Stuhl unter dem mit einem karierten Tuch bedeckten Frühstückstisch hervor und setzte sich verkehrt herum darauf, die Arme über die Lehne gefaltet. Eine Weile sprach niemand, während wir im Kopf die Daten durchgingen, die von Minute zu Minute seltsamer wurden.
    »Hör mal, Doc.« Marino ließ seine Fingergelenke knacken. »Ich muß unbedingt eine rauchen. Darf ich hier drin, oder muß ich rausgehen?«
    »Draußen«, sagte Lucy, wies mit dem Daumen zur Tür und sah bissiger aus, als sie in Wirklichkeit war.
    »Und wenn ich in eine Schneewehe falle, du kleines Biest?« sagte er.
    »Es liegen da draußen nur zehn Zentimeter Schnee. Die einzige Schneewehe, in die du fällst, ist die in deinem Kopf.«
    »Morgen gehen wir an den Strand und schießen auf Dosen«, sagte er. »Hin und wieder brauchst du einen kleinen Dämpfer, Special Agent Lucy.«
    »Ihr werdet ganz gewiß auf gar nichts schießen an diesem Strand«, sagte ich zu beiden. »Ich schätze, wir könnten Pete erlauben, das Fenster zu öffnen und den Rauch rauszublasen«, sagte Lucy. »Aber da sieht man nur mal wieder, wie süchtig du bist.«
    »Solange du schnell rauchst«, sagte ich zu ihm. »In diesem Haus ist es schon kalt genug.«
    Das Fenster war störrisch, aber Marino war hartnäckiger. Nach heftigem Zerren kriegte er es auf. Er zog den Stuhl ans Fenster, zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch durchs Gitter. Lucy und ich trugen Silberbesteck und Servietten ins Wohnzimmer, da wir beschlossen hatten, es wäre gemütlicher, vor dem Kaminfeuer zu essen statt in Dr. Mants Küche oder im vollgestopften, zugigen Eßzimmer.
    »Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie es dir geht«, sagte ich zu meiner Nichte, als sie sich mit dem Feuer beschäftigte. »Mir geht's großartig.«
    Funken sprühten in den rußigen Schlund des Kamins, als sie Holz nachlegte, und an ihren Händen stachen die Adern hervor, ihre Rückenmuskeln dehnten sich. Ihre Begabung lag in Computertechnik und seit neuestem in Robotronik, das hatte sie am MIT studiert. Mit diesem Fachwissen war sie sehr attraktiv für das Hostage Rescue Team des FBI, aber von ihr wurde Gehirnarbeit, keine körperliche Leistung erwartet. Keine Frau hatte bisher die mörderischen Anforderungen des HRT erfüllt, und ich machte mir Sorgen, daß sie ihre Grenzen nicht akzeptieren wollte. »Wie oft trainierst du?« fragte ich sie.
    Sie hakte das Funkengitter ein, setzte sich auf den Kaminrand und sah mich an. »Ziemlich oft.«
    »Wenn du noch mehr abnimmst, bist du nicht mehr gesund.«
    »Ich bin sehr gesund und habe eigentlich zuviel Fett.«
    »Wenn du magersüchtig wirst, werde ich nicht den Kopf in den Sand stecken, Lucy. Ich weiß, daß Eßstörungen tödlich sein können. Ich habe die Opfer gesehen.«
    »Ich habe keine Eßstörung.«
    Ich ging zu ihr und setzte mich neben sie; das Feuer wärmte uns den Rücken.
    »Ich schätze, ich muß dir glauben.«
    »Gut.«
    »Hör zu« -ich klopfte ihr aufs Bein - »du bist dem HRT als technische Beraterin zugeteilt. Niemand verlangt von dir, daß du dich von Hubschraubern abseilen und mit den Männern die Meile in vier Minuten laufen sollst.«
    Sie sah mich mit blitzenden Augen an. »Du mußt gerade von Grenzen reden. Ich sehe nicht, daß du dich je aufgrund deines Geschlechts von irgend etwas abhalten läßt.«
    »Ich kenne meine Grenzen sehr genau«, wandte ich ein. »Und ich umgehe sie mit meinem Verstand. So habe ich überlebt.«
    »Weißt du«, sagte sie aufgebracht, »ich bin es leid, Computer und Roboter zu programmieren, und immer wenn etwas Großes passiert -wie der Bombenanschlag in Oklahoma City -, brechen die Kerle zum Luftwaffenstützpunkt Andrews auf, und mich lassen sie zu Hause. Und selbst wenn ich mit darf, sperren sie mich irgendwo in ein Kämmerchen ein, als wäre ich bloß ein Fachidiot. Ich bin verdammt nochmal kein Fachidiot. Ich will keine Agentin zweiter Klasse sein.«
    In ihren Augen schimmerten plötzlich Tränen, und sie drehte sich von mir weg. »Ich schaffe jeden Hinderniskurs,

Weitere Kostenlose Bücher