Trübe Wasser sind kalt
Story dran, von der jemand anderer nicht wollte, daß sie bekannt wird.«
»Er könnte an einer Story gearbeitet haben«, pflichtete ich bei, »aber das heißt nicht, daß sie mit seinem Tod etwas zu tun hat. Jemand könnte die Gelegenheit genutzt haben, um ihn aus einem anderen Grund umzubringen.«
»Wo hast du das Anmachholz?« Er gab es auf mit dem Feuer. »Draußen unter einer Plane«, antwortete ich. »Dr. Mant will es nicht im Haus haben. Er hat Angst vor Termiten.«
»Na, er sollte mehr Angst vor den Feuern und dem Wind in diesem Moderloch haben.«
»Hinten, gleich bei der Veranda«, sagte ich. »Danke, Marino.« Er zog sich Handschuhe an, aber keinen Mantel, und ging hinaus, während das Feuer hartnäckig qualmte und der Wind in dem Backsteinkamin ein geisterhaftes ächzendes Geräusch verursachte. Ich sah meiner Nichte zu, die immer noch am Fenster stand.
»Wir sollten uns ans Abendessen machen, meinst du nicht?« sagte ich zu ihr.
»Was macht er denn?« sagte sie mit dem Rücken zu mir.
»Marino?«
»Ja. Der große Tolpatsch hat sich verirrt. Schau, er ist ganz da draußen an der Mauer. Halt mal. Jetzt seh ich ihn nicht mehr. Er hat die Taschenlampe ausgeschaltet. Das ist aber seltsam.«
Bei ihren Worten sträubten sich mir die Nackenhaare. Ich sprang auf, rannte ins Schlafzimmer und schnappte mir mein e Pistole vom Nachttisch. Lucy folgte mir auf den Fersen.
»Was ist denn?« rief sie.
»Er hat keine Taschenlampe.«
Kapitel 4
In der Küche riß ich die Tür zur Veranda auf und prallte mit Marino zusammen. Wir rannten einander fast über den Haufen. »Was zum Teufel…« schrie er hinter einem Armvoll Holz. »Da draußen ist jemand«, sagte ich mit leisem Nachdruck. Das Feuerholz polterte laut auf den Boden, und er rannte wieder in den Garten, die Pistole gezückt. Mittlerweile hatte auch Lucy ihre Waffe geholt und kam nach draußen. Wir waren gerüstet, mit einem Aufstand fertig zu werden.
»Schaut euch ums Haus herum um«, ordnete Marino an. »Ich gehe dort rüber.«
Ich holte Taschenlampen, und eine Weile gingen Lucy und ich um das Cottage herum, sperrten Augen und Ohren auf, aber nichts war zu sehen oder zu hören, bis auf das Knirschen unserer Schuhsohlen, während wir Spuren im Schnee hinterließen. Ich hörte, wie Marino den Hahn seiner Pistole entspannte, als wir im tiefen Schatten bei der Veranda wieder zusammentrafen.
»Da an der Mauer sind Spuren«, sagte er. Sein Atem bildete eine weiße Fahne. »Das ist wirklich merkwürdig. Sie führen hinunter zum Strand und verschwinden dann einfach am Wasser.« Er blickte sich um. »Hast du irgendwelche Nachbarn, die vielleicht einen Spaziergang gemacht haben?«
»Ich kenne Dr. Mants Nachbarn nicht«, erwiderte ich. »Aber sie sollten sich wohl kaum auf seinem Grundstück herumtreiben.
Und wer würde bei diesem Wetter am Strand entlanglaufen, wenn er einigermaßen bei Trost ist?«
»Wo führen denn die Fuß spuren auf diesem Grundstück hin?« fragte Lucy.
»Sieht so aus, als wäre er über die Mauer gekommen und noch zwei Meter in den Garten gegangen, bevor er wieder umkehrte«, antwortete Marino.
Ich dachte an Lucy, die vor dem Fenster gestanden hatte, vom Feuer und den Lampen angestrahlt. Vielleicht hatte der Eindringling sie entdeckt und war abgeschreckt worden. Dann fiel mir etwas anderes ein. »Woher wissen wir, daß die Person ein Er war?«
»Wenn nicht, dann tut mir eine Frau mit solchen Kähnen leid«, sagte Marino. »Die Schuhgröße entspricht etwa meiner.«
»Schuhe oder Stiefel?« fragte ich, während ich auf die Mauer zuging.
»Ich weiß es nicht. Sie haben so ein Profil mit Schraffierung.« Er folgte mir.
Die Abdrücke, die ich sah, lösten noch mehr Besorgnis in mir aus. Sie kamen nicht von typischen Stiefeln oder Turnschuhen. »Mein Gott«, sagte ich. »Ich glaube, die Person hat Taucherstiefel oder etwas ähnliches in Mokassin-Form getragen. Schaut.« Ich wies Lucy und Marino auf das Muster hin. Sie hatten sich neben mir gebückt. Das Licht meiner Taschenlampe fiel schräg auf die Fußspuren.
»Kein Spann«, bemerkte Lucy. »Das sieht eindeutig nach Taucherstiefeln oder Wasserschuhen aus. Das ist ziemlich bizarr.« Ich erhob mich und starrte über die Mauer auf dunkles, wogendes Wasser. Es schien unfaßbar, daß jemand aus dem Meer gekommen sein könnte.
»Kannst du von denen hier Fotos machen?« fragte ich Marino. »Klar. Aber ich hab nichts, um Abgüsse zu machen.« Dann kehrten wir ins Haus zurück. Er klaubte
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