Trübe Wasser sind kalt
ihnen, »nun übernehme ich.«
»Nimm dich in acht«, sagte Lucy.
Ich scheuchte sie aus dem Weg und gab Mehl, Hefe, ein wenig Zucker und Olivenöl in eine große Schüssel. Ich stellte den Backofen auf niedrige Temperatur und öffnete eine Flasche Còte Rôtie, für die Köchin. Zum Essen würde ich einen Chianti servieren.
»Hast du Eddings' Brieftasche durchsucht?« fragte ich Marino, während ich Steinpilze schnitt. »Wer ist Eddings?« fragte Lucy.
Sie saß auf einer Anrichte und trank Peroni. In den Fenstern hinter ihr schraffierte der Schnee die einbrechende Dunkelheit.
Ich erklärte etwas ausführlicher, was heute geschehen war, und sie stellte keine weiteren Fragen, sondern schwieg, als Marino sprach.
»Mir ist nichts in die Augen gesprungen«, sagte er. »Eine MasterCard, eine Visa, AmEx, Versicherungsbescheinigung. So ein Kram. Und ein paar Quittungen. Sehen nach Restaurantbelegen aus, aber das überprüfen wir. Darf ich mir noch so ein Bier holen?« Er warf seine leere Flasche in den Müll und öffnete den Kühlschrank. »Was sonst noch?« Glas klirrte. »Er hatte nicht viel Bargeld. Siebenundzwanzig Dollar.«
»Was ist mit Fotos?« fragte ich, während ich auf der mehlbestäubten Arbeitsplatte Teig knetete.
»Nichts.« Er machte den Kühlschrank zu. »Und du weißt ja, daß er nicht verheiratet war.«
»Wir wissen nicht, ob er nicht eine Beziehung mit jemandem hatte«, sagte ich.
»Das könnte sein, weil wir jedenfalls verteufelt wenig wissen.« Er sah Lucy an. »Weißt du, was Birdsong ist?«
»Meine Sig hat eine Birdsong-Veredelung.« Sie sah zu mir herüber. »Und die Browning von Tante Kay auch.«
»Nun, der Typ hatte eine Neunmillimeter-Browning, wie deine Tante, in einer sandfarbenen Birdsong-Ausführung. Außerdem ist seine Munition teflonbeschichtet und hat roten Lack auf dem Zündhütchen. Ich meine, damit könnte einer in einem verdammten Wolkenbruch zwölf Telefonbücher durchlöchern.« Sie war überrascht. »Was macht ein Journalist mit so etwas?«
»Manche Leute sind eben Waffennarren«, sagte ich. »Aber ich wußte nicht, daß Eddings einer war. Er hat es mir gegenüber nie erwähnt -was er nicht unbedingt hätte tun müssen.«
»Ich hab noch nie KTW in Richmond gesehen«, sagte Marino, auf den Hersteller der teflonbeschichteten Patronen anspielend. »Legal oder sonstwie.«
»Hätte er die nicht bei einer Waffenbörse bekommen können?« fragte ich.
»Vielleicht. Eines ist sicher. Der Typ hat einige davon besucht. Ich hab dir noch nicht von seiner Wohnung erzählt.« Ich deckte ein feuchtes Tuch über den Teig und stellte die Schüssel bei niedrigster Stufe in den Backofen.
»Ich biete euch jetzt nicht die ganze Tour«, fuhr er fort, »bloß das Wichtigste, angefangen bei dem Zimmer, wo er offensichtlich seine eigene Munition geladen hat. Wo er bloß all diese Kugeln verschossen hat, wer weiß. Aber er hat eine Menge Pistolen zur Auswahl, dazu noch ein paar andere Handfeuerwaffen, eine AK-47, eine MP5 und eine M16. Nicht gerade das, was einer zur Ungezieferbekämpfung benutzt. Außerdem hatte er eine ganze Anzahl von Survival-Magazinen abonniert, darunter Soldier of Fortune, U.S. Cavalry Magazine und Brigade Quartermaster. Schließlich« -Marino trank einen Schluck Bier -»haben wir einige Videos mit Lehrgängen für Scharfschützen gefunden. Weißt du, spezielle Kampfausbildung und so 'n Scheiß.« Ich vermischte Ricotta mit Eiern und Parmesan. »Irgendein Hinweis, worin er verwickelt gewesen sein könnte?« fragte ich, derweil das Geheimnis des toten Mannes immer unergründlicher wurde und mich noch mehr aus der Fassung brachte.
»Nein, aber er ist todsicher hinter etwas her gewesen.«
»Oder etwas hinter ihm«, sagte ich.
»Er war in Panik«, sagte Lucy, als wisse sie Bescheid. »Niemand geht in der Dunkelheit tauchen und hat eine wasserdichte Neunmillimeter mit Panzerknacker-Munition dabei, wenn er nicht in Panik ist. So benimmt sich doch nur einer, der glaubt, er steht auf der Abschußliste.«
Da erst erzählte ich ihnen von meinem seltsamen frühmorgendlichen Anruf von einem Officer Young, der anscheinend nicht existierte. Ich erwähnte Captain Green und beschrieb sein Benehmen.
»Warum sollte er anrufen, wenn er der Täter war?« Marino runzelte die Stirn.
»Er hat mich eindeutig nicht am Tatort haben wollen«, sagte ich. »Und vielleicht hätte ich, wenn mir die Polizei ausführliche Informationen gegeben hätte, bloß gewartet, bis die Leiche eingeliefert
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