Trübe Wasser sind kalt
kannte, der nebenan wohnte; ich war auf vielen seiner Parties gewesen. Das Eddings-Anwesen war dreistöckig, im Konföderierten-Stil, mit Zwillingsschornsteinen, halbrunden Giebelfenstern und einer Lünette über der holzgetäfelten Haustür. Links von der Eingangstreppe war noch immer der steinerne Löwe, der schon seit Jahren hier Wache hielt. Ich ging die glatten Stufen hinauf und mußte zweimal klingeln, bevor hinter der dicken Holztäfelung schwach eine Stimme ertönte.
»Ich bin's, Dr. Scarpetta«, sagte ich, und die Tür ging langsam auf. »Ich habe mir gedacht, daß Sie es sind.« Ein ängstliches Gesicht spähte heraus. »Bitte kommen Sie herein, und wärmen Sie sich auf. Eine fürchterliche Nacht.«
»Es wird ziemlich eisig«, sagte ich beim Eintreten. Mrs. Eddings war attraktiv auf eine wohlerzogene, eitle Weise, sie hatte feine Gesichtszüge und feines weißes Haar, das aus der hohen, glatten Stirn gekämmt war. Sie trug ein schwarzes Kostüm und einen Kaschmirpullover, als hätte sie den ganzen Tag Besuch empfangen. Aber ihre Augen konnten den unwiderruflichen Verlust nicht verbergen, und als sie vor mir herging, war ihr Gang unsicher, und ich hatte den Verdacht, daß sie getrunken hatte.
»Ein wunderschönes Haus«, sagte ich, als sie mir den Mantel abnahm. »Ich bin schon so oft daran vorbeigegangen oder vorbeigefahren, ohne eine Ahnung zu haben, wer hier wohnt.«
»Und wo wohnen Sie?«
»Dort drüben. Westlich von Windsor Farms.« Ich deutete in die Richtung. »Mein Haus ist neu. Ich bin erst letzten Herbst eingezogen.«
»Ach ja, ich weiß, wo das ist.« Sie schloß die Tür des Garderobenschranks und führte mich in die Halle. »Ich kenne ziemlich viele Leute dort drüben.«
Der Salon war ein Museum mit Perserteppichen, Tiffanylampen und Biedermeiermöbeln. Ich setzte mich auf eine schwarz bezogene Couch, die hübsch, aber steif war, und fragte mich schon, wie gut die Mutter mit dem Sohn ausgekommen war. Die Einrichtung ihrer beider Wohnungen vermittelte das Bild von Menschen, die starrköpfig und einzelgängerisch sein konnten. »Ihr Sohn hat mich ein paarmal interviewt«, begann ich das Gespräch, nachdem wir Platz genommen hatten. »Ach ja?« Sie versuchte zu lächeln, aber ihre Gesichtszüge entgleisten.
»Es tut mir leid. Ich weiß, es ist schwer«, sagte ich sanft, als sie in ihrem roten Ledersessel versuchte, die Fassung zu bewahren. »Ted gehörte zu den Leuten, die ich ziemlich gern hatte. Meine Angestellten mochten ihn auch.«
»Alle mögen Ted«, sagte sie. »Vom ersten Tag an konnte er die Menschen bezaubern. Ich erinnere mich an das erste große Interview, das er in Richmond machte.« Sie starrte ins Feuer, die Hände fest ineinander verschränkt. »Mit Gouverneur Meadows, Sie kennen ihn sicher noch. Ted hat ihm zum Reden gebracht, alle anderen hatten das nicht geschafft. Das war, als es überall hieß, der Gouverneur nehme Drogen und gebe sich mit unmoralischen Frauen ab.«
»O ja«, erwiderte ich, als wäre das gleiche nicht schon von anderen Gouverneuren behauptet worden.
Sie blickte mit Verzweiflung im Gesicht von mir weg, und die Hand, mit der sie ihr Haar zurückstrich, zitterte. »Wie konnte das geschehen? Mein Gott, wieso ist er ertrunken?«
»Mrs. Eddings, ich glaube nicht, daß er ertrunken ist.« Sie starrte mich mit großen Augen an. »Was ist dann geschehen?«
»Ich bin noch nicht sicher. Es müssen noch Tests durchgeführt werden.«
»Was könnte es sonst sein?« Sie tupfte sich die Tränen mit einem Papiertaschentuch ab. »Der Polizist, der mich aufsuchte, hat gesagt, es sei unter Wasser geschehen. Ted tauchte mit seiner Vorrichtung im Fluß.«
»Da gäbe es eine Reihe von Ursachen«, antwortete ich. »Beispielsweise ein Defekt des Atemgeräts, das er benutzte. Er könnte Abgase inhaliert haben. Im Augenblick weiß ich es nicht.«
»Ich habe ihm gesagt, er soll das Ding nicht benutzen. Ich weiß gar nicht, wie oft ich ihn gebeten habe, nicht mit diesem Gerät zum Tauchen zu gehen.«
»Dann hat er es früher schon benutzt.«
»Er hat sehr gern nach Reliquien aus dem Bürgerkrieg gesucht. Er ist fast überall mit so einem Metalldetektor getaucht. Ich glaube, letztes Jahr hat er ein paar Kanonenkugeln im James River gefunden. Komisch, daß Sie das nicht wußten. Er hat mehrere Geschichten über seine Abenteuer geschrieben.«
»Im allgemeinen haben Taucher einen Begleiter dabei, einen Kumpel«, sagte ich. »Wissen Sie, mit wem er normalerweise tauchen
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