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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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murmeln: »Vielen Dank, Elliot. Du hast uns allen die Tour vermasselt.«
    Wenn man den Puls der Stadt Tranquility fühlen wollte, mußte man in Monaghan’s Diner gehen. Dort traf sich jeden Mittag der Dinosaurier-Club. Es war eigentlich kein Club, eher eine Art Frühschoppen; sechs oder sieben Rentner, die, weil sie nicht mehr zur Arbeit gehen konnten, an Nadines Theke herumsaßen und die Torten unter den Plastikhauben bewunderten. Claire hatte keine Ahnung, wie der Club zu seinem Namen gekommen war. Sie vermutete, daß eine der Ehefrauen einmal im Groll über die tägliche Abwesenheit ihres Mannes mit etwas herausgeplatzt war wie »Ach, du und dieser Haufen alter Dinosaurier!« Und der Name war, wie alle guten Namen, hängengeblieben. Es waren ausschließlich Männer, alle weit über sechzig. Nadine war erst in den Fünfzigern, aber sie war ein inoffizieller Dinosaurier, weil sie hinter der Theke arbeitete und so freundlich war, ihre schlechten Witze und ihren Zigarettenqualm zu ertragen.
    Vier Stunden, nachdem der Oberschenkelknochen gefunden worden war, kehrte Claire zum Lunch in Monaghan’s ein.
    Die Dinosaurier – es waren heute sieben, und sie trugen alle orangefarbene Signalkleidung über ihren Baumwollhemden – saßen auf ihren Stammplätzen, den Barhockern auf der linken Seite nahe der Milchshake-Maschine.
    Ned Tibbetts drehte sich um und nickte, als Claire zur Tür hereinkam. Keine herzliche Begrüßung, aber auf schroffe Weise respektvoll.
    »Morgen, Doc.«
    »Guten Morgen, Mr. Tibbetts.«
    »Wir werden heute noch ’nen ganz schön fiesen Wind kriegen.«
    »Es ist jetzt schon eiskalt draußen.«
    »Kommt aus Nordwest. Könnte heute nacht Schnee geben.«
    »Kaffee für Sie, Doc?« fragte Nadine.
    »Danke.«
    Ned wandte sich wieder den anderen Dinosauriern zu, die alle auf verschiedene Weise Claires Ankunft zur Kenntnis genommen hatten und jetzt wieder in ihr Gespräch vertieft waren. Sie kannte nur zwei von ihnen mit Namen, die anderen waren nicht mehr als vertraute Gesichter. Claire saß allein an ihrem Ende der Theke, wie es ihrem Status als Außenseiterin entsprach. Nicht daß die Leute nicht nett zu ihr gewesen wären. Sie lächelten, sie waren höflich. Aber für diese Eingeborenen waren ihre acht Monate in Tranquility nur ein vorübergehender Aufenthalt; sie war in ihren Augen eine Großstadtpflanze, die es einmal für eine Weile mit dem einfachen Leben versuchen wollte. Der Winter, da waren sich alle einig, würde sie auf die Probe stellen. Vier Monate Schneestürme und Glatteis würden sie in die Stadt zurücktreiben, so wie sie die beiden letzten auswärtigen Ärzte verjagt hatten.
    Nadine schob Claire eine Tasse dampfenden Kaffee herüber.
    »Sie wissen doch sicher alles darüber, oder?« fragte sie.
    »Alles worüber?«
    »Diesen Knochen.« Nadine stand da und sah sie an; sie wartete geduldig auf Claires Beitrag zum allgemeinen Wissensreservoir des Ortes. Wie die meisten Frauen aus Maine verbrachte Nadine viel Zeit mit Zuhören. Das Reden schien man hier zumeist den Männern zu überlassen. Claire hörte ihre Gespräche, wann immer sie im Haushaltswarengeschäft oder im Kaufhaus oder im Postamt war. Sie standen herum und schwatzten, während ihre Frauen warteten, schweigend und wachsam.
    »Ich hab gehört, es ist ein Kinderknochen«, sagte Joe Bartlett, indem er sich auf seinem Hocker umdrehte und Claire ansah. »Ein Oberschenkelknochen.«
    »Stimmt das, Doc?« fragte ein anderer.
    Die anderen Dinosaurier wandten sich um und sahen Claire an.
    Sie antwortete lächelnd: »Sie scheinen bereits alles darüber zu wissen.«
    »Hab gehört, er war ganz schön lädiert. Vielleicht ein Messer. Vielleicht eine Axt. Und dann haben sich die Tiere drüber hergemacht.«
    »Ihr Jungs seid ja heute ziemlich munter«, kommentierte Nadine höhnisch.
    »Drei Tage in diesen Wäldern, und die Waschbären und Kojoten nagen so einen Knochen blitzeblank. Und dann sind Elwyns Hunde gekommen. Er füttert sie so gut wie nie, wißt ihr. So ein Knochen ist da ein echter Leckerbissen. Vielleicht haben seine Hunde schon wochenlang dran rumgenagt. Elwyn käme gar nicht auf die Idee, da mal genauer hinzugucken.«
    Joe lachte. »Dieser Elwyn – er hat’s einfach nicht mit dem Denken.«
    »Vielleicht hat er das Kind selbst erschossen. Hat es mit einem Hirsch verwechselt.«
    Claire sagte: »Der Knochen sah sehr alt aus.« Joe Bartlett machte Nadine ein Zeichen. »Ich habe mich entschieden. Ich nehme das

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