Trügerische Ruhe
Containern war Gelächter zu hören. Taylor warf einen Blick auf die Mädchen und merkte, daß sie die Auseinandersetzung verfolgten. Sein Gesicht wurde rot vor Zorn.
»Ruhe da hinten!« schrie er sie an. »Blöde Hühner!«
»Mensch, Taylor«, sagte Noah, »was hat dich denn gebissen?«
Die anderen Skater hatten inzwischen ihre Bretter geschnappt und standen neugierig um sie herum. Einer von ihnen witzelte: »Ey, warum hat Taylor die Straße überquert?«
»Warum?«
»Weil sein Schwanz in dem Huhn gesteckt hat!«
Alle Skater lachten, und Noah lachte mit. Er konnte einfach nicht anders.
Der Schlag traf ihn unvorbereitet. Er schien aus dem Nichts zu kommen, ein ganz gemeiner Kinnhaken. Sein Kopf wurde nach hinten geschleudert, er taumelte zurück und fiel mit dem Hintern auf den Asphalt. Da saß er für einen Augenblick. Seine Ohren dröhnten, und er konnte nur verschwommen sehen. Dann wich der Schock verletztem Zorn. Er war mein Freund, und er hat mich geschlagen!
Noah stand schwankend auf und warf sich gleich mit voller Wucht auf Taylor. Beide fielen der Länge nach zu Boden, Noah obenauf. Sie wälzten sich hin und her und ruderten mit Armen und Beinen, aber keiner der Jungen konnte einen entscheidenden Treffer landen. Schließlich gelang es Noah, Taylor unter sich einzuklemmen, aber es war, als hielte man eine fauchende Katze fest.
»Noah Elliot!« Er erstarrte, während seine Hände immer noch Taylors Handgelenke umklammerten. Er wandte langsam den Kopf und sah die Rektorin, Miss Cornwallis, die auf sie herabblickte. Die anderen Schüler waren alle zurückgewichen und sahen aus sicherer Entfernung zu.
»Aufstehen!« sagte Miss Cornwallis. »Alle beide!«
Sofort ließ Noah Taylor los und stand auf. Taylor, dessen Gesicht jetzt vor Wut dunkelrot war, schrie: »Er hat mich gestoßen! Er hat mich gestoßen, und ich habe versucht, mich zu verteidigen!«
»Das ist nicht wahr! Er hat mich zuerst geschlagen!«
»Er hat mit seinem Skateboard geworfen!«
»Ich habe gar nichts geworfen! Es war ein Unfall!«
»Unfall? Du Lügner!«
»Ruhe jetzt, ihr beiden!« schrie Miss Cornwallis.
Ein betroffenes Schweigen senkte sich über den Schulhof, und alle Blicke ruhten auf der Rektorin. Sie hatten sie noch nie zuvor schreien gehört. Sie war eine etwas spröde, aber gutaussehende Frau, die in der Schule Kostüme und Schuhe mit flachen Absätzen trug; ihr blondes Haar war fein säuberlich hochgesteckt. Zu hören, wie sie die Stimme erhob, war für alle ein Erlebnis.
Miss C. holte tief Luft und fing sich rasch wieder. »Gib mir das Skateboard, Noah.«
»Es war ein Unfall. Ich habe ihn nicht geschlagen.«
»Du hast ihn zu Boden gedrückt. Ich habe es gesehen.«
»Aber ich habe ihn nicht geschlagen!« Sie streckte die Hand aus. »Gib es her.«
»Aber –«
»Sofort.«
Noah ging zu seinem Skateboard, das in der Nähe lag. Es war schon recht abgenutzt; eine beschädigte Kante war kreuz und quer mit Klebeband überzogen. Das Board war ein Geschenk zu seinem dreizehnten Geburtstag gewesen. Er hatte den Aufkleber an der Unterseite angebracht – es war ein grüner Drache mit roten Flammen, die aus seinem Rachen hervorschossen –, und er hatte die Räder auf den Straßen von Baltimore eingefahren, wo er früher gewohnt hatte. Er liebte sein Skateboard, weil es ihn an all das erinnerte, was er zurückgelassen hatte. Alles, was er immer noch vermißte. Er hielt es noch einen Augenblick fest und reichte es dann schweigend Miss C.
Sie nahm es mit einem Ausdruck des Widerwillens. Dann wandte sie sich an die anderen Schüler und sagte: »Ab sofort ist Schluß mit dem Skateboardfahren auf dem Schulgelände. Ich will, daß alle ihre Skateboards heute mit nach Hause nehmen. Und wenn ich morgen noch irgendwelche sehe, werde ich sie konfiszieren. Ist das klar?«
Stummes Kopfnicken war die Antwort.
Miss C. wandte sich Noah zu. »Du wirst heute nachmittag bis halb vier nachsitzen.«
»Aber ich habe doch nichts getan!«
»Du kommst jetzt mit in mein Büro. Du wirst dich hinsetzen und darüber nachdenken, was du getan hast.«
Noah wollte widersprechen, aber dann schluckte er seine Worte herunter. Alle sahen ihn an. Er sah für einen Moment Amelia Reid, die immer noch am Rand des Sportplatzes stand, und sein Gesicht färbte sich schamrot. Schweigend und mit gesenktem Kopf folgte er Miss C. zum Schulgebäude.
Die anderen Skater machten ihnen mißmutig Platz. Erst als Noah schon an ihnen vorbei war, hörte er einen der Jungen
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