Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
»Das Herz sieht unversehrt aus.«
    Und so klein, dachte Claire mit plötzlicher Beklemmung. Dieses Kind ist so winzig ...
    »Wir müssen dieses Blut wegschaffen.«
    Claire führte den Sauger noch tiefer ein, und plötzlich sahen sie, wie ein Blutstrahl in einem kleinen Bogen aus der verletzten Lunge hervorschoß.
    »Ich sehe es«, sagte er und klemmte die Wunde ab.
    Jetzt wurde eine zweite Verletzung sichtbar. Hellrotes Blut quoll aus ihr hervor.
    »Nummer zwei«, sagte er in einem angespannt triumphierenden Ton, als er die zweite Klammer anbrachte.
    »Ich bekomme einen Blutdruck!« rief eine der Schwestern. »Systolisch bei siebzig!«
    »Ich hänge die zweite Einheit Null-Negativ auf!«
    »Da«, sagte Claire, und Byrne verklammerte die dritte Wunde, die sich durch einen Blutstrahl verraten hatte.
    Claire saugte wieder ab. Einen Moment lang beobachteten sie die offene Brust in ängstlicher Erwartung einer neuerlichen Blutansammlung. Alle Anwesenden verfielen in Schweigen. Die Sekunden schlichen vorüber.
    Dann blickte Byrne zu ihr herüber. »Wissen Sie, dieses Ave-Maria, das ich eben gesagt habe –«
    »Ja?«
    »Es scheint zu funktionieren.«
    Pete Sparks wartete auf sie, als Claire schließlich aus dem Schockraum herauskam. Ihre Kleidung war blutbespritzt, aber er schien es gar nicht wahrzunehmen; sie hatten beide an diesem Abend schon so viel Brutalität gesehen, daß sie der Anblick von Blut nicht mehr schockieren konnte.
    »Wie geht’s dem Mädchen?« fragte er.
    »Sie hat die Operation gut überstanden. Sobald ihr Blutdruck sich stabilisiert hat, wird man sie nach Bangor verlegen.« Claire sah ihn mit einem müden Lächeln an. »Ich glaube, sie wird wieder, Pete.«
    »Wir haben den Jungen hergebracht«, sagte er.
    »Scotty?«
    Er nickte. »Die Schwestern haben ihn dort drüben in den Untersuchungsraum gebracht. Lincoln meinte, Sie sollten ihn sich lieber mal ansehen. Irgendwas stimmt nicht mit ihm.«
    Mit wachsender Besorgnis durchquerte sie die Unfallstation und blieb abrupt in der Tür des Untersuchungszimmers stehen. Sie stand da und starrte hinein, und sie spürte wieder den kalten Schauer im Rücken.
    Sie machte fast einen Satz, als Pete leise zu ihr sagte: »Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Was ist mit seiner Mutter?« fragte sie. »Haben Sie Faye gefunden?«
    »Ja, wir haben sie gefunden.«
    »Wo?«
    »Im Keller. Sie war noch in ihrem Rollstuhl.« Pete warf einen Blick in das Zimmer und wich fast ängstlich einen Schritt zurück, wie abgestoßen von dem, was er sah. »Ihr Genick war gebrochen. Er hat sie die Treppe hinuntergestoßen.«

10
    Von der anderen Seite des Sichtfensters aus beobachteten Claire und der CT-Techniker, wie Scotty Braxtons Kopf in der Öffnung des Scanners verschwand. An Armen, Beinen und Brust war er fest an den Tisch gefesselt, doch seine Hände wanden sich unentwegt in den Lederriemen. Seine Handgelenke waren bereits wundgescheuert, das Leder blutverschmiert.
    »So werden wir keine vernünftigen Aufnahmen bekommen«, sagte der Techniker. »Immer noch zuviel Bewegung. Können Sie ihm nicht etwas mehr Valium geben?«
    »Er hat schon fünf Milligramm intus. Ich würde nur sehr ungern seinen Neurostatus eintrüben«, antwortete Claire.
    »Dann gibt es auch keine Computertomographie.«
    Sie hatte keine Wahl. Sie füllte die Spritze und betrat den Untersuchungsraum. Sie sah, wie der State Trooper sie durch das Fenster beobachtete. Am Tisch angekommen, griff sie nach der Infusionskanüle. Ohne Vorwarnung schnappte die Hand des Jungen zu. Claire zuckte zurück, doch seine Finger schlossen sich bereits wie eine Falle um ihr Handgelenk.
    Der Cop kam herbeigeeilt. »Dr. Elliot?«
    »Alles in Ordnung«, sagte sie mit pochendem Herzen. »Er hat mich bloß erschreckt.«
    »Ich bleibe hier bei Ihnen. Machen Sie nur weiter und geben Sie ihm die Medizin.«
    Sie nahm den Infusionsschlauch, durchstach mit der Nadel die Gummiabdichtung und injizierte die ganzen zwei Milligramm.
    Jetzt endlich kam die Hand des Jungen zur Ruhe.
    Sie stand wieder hinter dem Fenster und sah zu, wie der Scanner in Aktion trat. Ein Surren und Klicken kündigte an, daß der Kopf des Jungen jetzt aus verschiedenen Richtungen mit Röntgenstrahlen bombardiert wurde. Der erste Querschnitt vom oberen Teil des Schädels erschien auf dem Bildschirm.
    »Bis jetzt sieht es normal aus«, meinte der Techniker. »Was erwarten Sie denn zu sehen?«
    »Irgendeine anatomische Abnormität, die sein Verhalten erklären könnte,

Weitere Kostenlose Bücher