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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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n. S.)
    Ist es nicht herrlich, auf den Planken zu stehen und diese frische Seeluft einzuatmen, ohne Angst haben zu müssen, dass sich rogogardisches Piratenpack zeigt?« Commodore Nicente Roscario warf die störenden Locken seiner Weißhaarperücke nach hinten, die ihm die Sicht auf die immer größer werdenden Inseln verdeckten; sodann pfiff er den Pagen zu sich und winkte mit dem leeren Weinpokal, verlangte nach mehr. »Gut, dass der Krieg zu Ende ist und wir glimpflich davongekommen sind.«
    Zufrieden beobachtete er, wie der junge Mann den Pokal füllte. »Letztlich war er doch gut fürs Geschäft«, sagte er grinsend und trank. »Auf Palestan, den Kaufmannsrat und unseren König! Mögen unsere Kassen stets gefüllt sein.«
    Neben Roscario standen zwei unbewegliche Steuermänner, die den Monolog des eitlen Mannes geduldig ertrugen und den schnellen Zweimastsegler Erhabenheit schnurgerade auf das Ziel der Reise zu lenkten: die kargen, zerklüfteten Iurdum-Inseln vor Türis.
    Das seltenste Metall des Kontinents kam, abgesehen von etwas Silber und Gold minderer Qualität, hier im Vergleich
    zum restlichen Ulldart in rauen Mengen vor. Das weckte natürlich Begehrlichkeiten bei denen, die auf schnellen Reichtum aus waren.
    So verwunderte es den Commodore nicht, gewaltige Festungsbauten an den Küstenstrichen zu sehen, die so angeordnet waren, dass ein feindlich gesonnenes Schiff unweigerlich in das Kreuzfeuer der Katapulte und seit neuestem auch in die Reichweite von Eisenkugeln speienden Bombarden geriet.
    »Ich finde, es sieht ein wenig nach dem Auswurf eines Lungenkranken aus, oder?« Roscario streckte die Hand aus und deutete auf die gelblich grünen Felsen, die sich hinter den Mauern erhoben, mal senkrecht ansteigend, mal sanft geschwungen. Überall gähnten schwarze Löcher, als wären sie von Riesenwürmern hineingefressen worden und dienten ihnen als Behausung. In Wirklichkeit waren es die jahrzehntealten Hinterlassenschaften vergangener Grabungen.
    Der Commodore stellte den Pokal ab und zückte das Fernrohr. »Wie trostlos es dort aussieht«, näselte er. »Verlassene Stollen, Hangabbrüche, aufgegebene Minen und dazwischen von der Seeluft platt an die Erde gedrücktes Gras.« Schwungvoll schob er das Rohr zusammen. »Nicht einmal ein Schaf wollte da leben. Eher stürzte es sich in den Abgrund.«
    Sein Adjutant eilte die Stufen aufs Achterdeck hinauf; die langen Schöße seines aufwändig gearbeiteten, hellblauen Brokatrocks wehten im Wind, und es kam Roscario in dem Licht ein wenig so vor, als könnte die Kleidung seines Untergebenen wirklich mehr gekostet haben als seine eigene.
    »Commodore!«, schnaufte der Adjutant aufgeregt, während die Schmuckschnallen seiner Schuhe leise klirrten. »Ich habe eine Ungereimtheit entdeckt.«
    Missbilligend schnappte Roscario nach dem fremden Kragen, rieb den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ihr,
    mein lieber Puaggi, werdet, sobald wir von unserer Mission nach Palestan zurückgekehrt sind, auf der Stelle zu einem
    Schneider Eures Vertrauens marschieren und Euch einen Rock fertigen lassen, der weniger als einhundert Heller kostet!«, fuhr er ihn an. »Und es ist mir gleich, dass unser König Euer Urgroßstiefwasauchimmercousin ist und Ihr Euch diesen Prunk leisten könnt. Solange Ihr neben mir steht und mein Adjutant seid, wird Eure Garderobe gefälligst schäbiger aussehen als meine! Haben wir uns verstanden?!«
    Sotinos Puaggi, ein junger Mann von höchstens achtzehn Jahren, von schlanker Statur und mit einem so schmalen Gesicht bestraft, dass der Wind Melodien an seiner spitzen Stirn spielen konnte, schaute frappiert drein. »Verzeiht, Commodore, aber der Rock ist ein Geschenk des Königs. Wenn ich ihn nicht trage, so ehre ich seine Gabe nicht.«
    Roscario hob den Gehstock; das untere Ende schnellte in die Höhe und kratzte über die Vorderseite des Rockes. Durch die ruppige Behandlung lösten sich Fäden, und einige der eingewobenen Perlen fielen nieder, rollten über die Planken und verschwanden in den Ritzen - oder wurden von Matrosen verstohlen aufgesammelt. Damit war ihnen ein Krug Branntwein in der nächsten Schenke gesichert.
    »Nun, dann tragt ihn weiter, doch lasst ihn, wie er ist«, lautete der zufriedene Kommentar. »Es geht auch so.«
    Puaggi starrte auf den in Mitleidenschaft gezogenen Stoff. Er rang mit der Fassung und vor allem nach Worten, um sich gegen diese Unverschämtheit zur Wehr zu setzen.
    »Ja?«, machte Roscario lauernd. »Was gibt es,

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