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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Puaggi, das Ihr da steht und einen glotzenden Karpfen nachäfft?«
    Der Adjutant verkniff sich jeglichen Widerspruch, der an
    der Tat als solcher nichts mehr ändern würde und seinen Vorgesetzten ansonsten nicht weiter berührte. Stattdessen hielt er ihm den Brief hin, in dem sich unter anderem die Vollmacht des palestanischen Königs für diese diplomatische Mission befand. »Ich habe eine Ungereimtheit gefunden«, wiederholte er seine anfängliche Meldung.
    »Worin kann sie denn liegen?« Roscario schnappte nach dem Umschlag, nahm zwei Papiere heraus und faltete sie mit viel Schwung und Gestikulieren auseinander, um seinen Unglauben bezüglich der Entdeckung des Adjutanten zum Ausdruck zu bringen. »Wir liegen auf dem richtigen Kurs, es ist der richtige Tag, und wir haben sogar herrliches Wetter, mein werter Puaggi.« Er hob das erste Blatt. »Der Auftrag unseres Königs«, erklärte er und wedelte mit dem zweiten, »und die Erlaubnis des neuen Königs von Türis, Hoheit Bristel, das ungereinigte Iurdum direkt auf der Insel zu kaufen und es auf dem Schiff zu befördern.« Er schleuderte Puaggi die Schriftstücke ins keilförmige Gesicht. »Nehmt sie und steckt sie in den Umschlag zurück, damit sie nicht verloren gehen.«
    »Die Ungereimtheit besteht darin, Commodore«, antwortete der Adjutant mühsam beherrscht, »dass uns die Erlaubnis gegeben wurde, Iurdum zu kaufen, aber wir keine königliche Order für den turitischen Befehlshaber der Festung bekamen, uns passieren zu lassen.« Eine Erklärung erwartend, legte er die Blätter sorgsam zusammen und schob sie in das Kuvert zurück. Großspurig breitete Roscario die Arme aus, als wollte er den Großmast umfangen. »Ich bitte Euch! Das ist doch keine Ungereimtheit, das ist ein Versäumnis, das sich mit flinker Zunge gegenüber dem Kommandanten beheben lässt. Die beiden Briefe und meine Beredsamkeit werden uns schon
    Einlass in den Hafen verschaffen.« Während des Disputs hatte das Schiff eine ordentliche Strecke zurückgelegt. Der Bug der Erhabenheit durchschnitt
    das ruhige Wasser, das glatt wie ein blaues Tuch vor ihnen lag. Der günstige Südwind packte ihnen die zahlreichen Segel derart voll, dass sie regelrecht an die Einfahrt heran schossen und schon weit vor dem schmalen Durchlass mit dem Reffen der Leinwände beginnen mussten, um wegen des zu starken Vortriebs nicht gegen die Mauern zu krachen. Das Großsegel reichte vollkommen, um dem Zweimaster immer noch zügige Fahrt zu verschaffen.
    Bevor sie einliefen, galt es Geduld zu beweisen. Die mit zahlreichen Geschützluken versehene Mauer vor dem eigentlichen Ankerplatz schwang sich gut fünfzehn Schritt in die Höhe; ein eisernes, von der Seeluft und dem Salzwasser gezeichnetes Tor versperrte die Durchfahrt. Roscario gab den Befehl, einen Signalisten hinauf ins Krähennest zu schicken, um den Soldaten von Türis mit Hilfe der Wimpelzeichen anzukündigen, in welcher historischen Mission ein palestanisches Schiff hier zum ersten Mal anlegen wollte.
    »Der turinische König Bristel ist ein Trottel, dass er sich sein Iurdum-Seehandelsmonopol von uns abschwatzen ließ«, sagte der Commodore und grinste. »Wir werden ein Vermögen damit machen, was uns die Kosten für die Handelserlaubnis zehnfach aufwiegt.«
    Der Zweimaster war bis auf eine halbe Meile an die vorgelagerten Mauern des Hafenbeckens herangekommen, aber noch tat sich nichts.
    »Sie werden der Sache nicht trauen«, prophezeite Puaggi
    und drückte seinen Dreispitz fester auf die verhältnismäßig
    kleine Perücke. Wenigstens mit ihr schürte er keinen Neid. Ausnahmsweise gab ihm Roscario Recht, wenn auch nur
    im Stillen. »Runter mit dem Großsegel«, befahl er. Seine
    Maate brüllten die Order weiter, und schon erklommen die Matrosen leichtfüßig die Wanten, um das letzte Segel an der
    Rahe zu verzurren.
    Die Erhabenheit verlor augenblicklich an Fahrt. Der Kiel, der wegen der hohen Geschwindigkeit aus dem Wasser geragt
    hatte, sank in seiner ganzen Masse herab und bremste das Schiff zusätzlich. Abwartend dümpelte der Zweimaster vor der gesperrten Einfahrt. Der Signalist hörte gar nicht mehr auf, mit den Wimpeln zu kreisen; das Knattern des Stoffes drang bis aufs Achterdeck. Irgendwann beendete er seine seltsam anmutende Unterhaltung, lehnte sich über das Geländer in Richtung seiner höchsten Vorgesetzten und formte die Hände zu einem Trichter. »Sie sagen, dass wir uns gedulden sollen«, schrie er nach unten.
    »Das Tor habe sich verklemmt,

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