Trügerischer Friede
Kälte, die von ihr ausging. »Ja«, sagte sie ohne zu zögern. »Aber was bezweckt sie?«
»Sie hat sich Soschas Magie genommen und ist stärker als zuvor.« Lodrik küsste Norina scheu auf den Mund, genoss die Wärme ihrer Lippen. »Zvatochna strebt nach dem, was sie, was Govan und was ihre Mutter schon immer haben wollten: Macht. Ich muss ihr folgen und sie aufhalten. In aller Heimlichkeit. Es wäre nicht gut, wenn bekannt würde,
wer die Kabcara in Wirklichkeit ist. Es könnte Hoffnungen
bei den Tzulani wecken.«
Norina streckte die Hand nach ihm aus, aber er drehte sich
weg, schritt zu Tür. »Was hast du vor?«
»Was wohl, Norina?«, gab er eisiger als beabsichtigt zur Antwort. »Ich sorge dafür, dass ich der einzige Nekromant auf Ulldart bleibe. Elenja wird auf dem Weg nach Hause
einen Unfall erleiden oder unter seltsamen Begebenheiten zu Tode kommen. Niemand wird ihre Leiche jemals finden. Und Borasgotan kann sich ein besseres Oberhaupt erwählen.« Er öffnete die Tür.
»Lodrik«, rief Norina und eilte zu ihm, schlang die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Nach einigem Zögern erwiderte er die Zärtlichkeit, spürte alles und nichts. Das Feuer der Liebe loderte heiß auf und wurde von einer anderen Macht gleich darauf zu Eis erstarrt. »Sage Krutor, dass ich nach Süden bin, um mich mit Perdor zu treffen«, bat er sie. »Ich will nicht, dass er mich begleitet. Er wäre mir bei einem Kampf im Weg. Seine Körperkräfte nützen ihm gegen eine Gegnerin wie Zvatochna überhaupt nichts.«
Sie nickte. »Ich lasse Perdor wissen, was sich in Ulsar ereignet hat. Es wird ihn treffen, die Frau verloren zu haben, auf der alle Hoffnungen zur Erforschung der Magie ruhten.«
»Es wird eine neue Soscha kommen«, meinte Lodrik gleichgültig und verließ den Raum. Norina streifte die Rüstung ab, zog das Ledergewand darunter aus und schlüpfte in die herrschaftliche Garderobe der Kabcara. Sie betete zu Ulldrael, dass sich die Geschehnisse des heutigen Tages zum Guten für die Menschen des Kontinents wendeten.
Ohne dass sie es wollte, beschäftigte sie sich mit dem Gedanken, was aus Lodrik werden würde, wenn er Elenja, oder wer immer hinter der Maske steckte, besiegte und sich ihre Magie nahm.
Sie dachte an die Veränderungen, die mit ihm vorgegangen waren und immer noch vorgingen. Niemand wusste, wonach ein Nekromant in Wirklichkeit trachtete.
Oder wie man ihn aufhielt.
Kontinent Kalisstron, Bardhasdronda, Spätherbst im Jahr 1 Ulldrael des Gerechten (460 n. S.) Lorin und die Kensustrianer gelangten zu seinem Haus. Schon von weitem sahen sie, dass die Tür mit Gewalt aufgebrochen war und die Trümmer schief in den Angeln hingen. Der Qwor hatte Jarevrän vor ihnen erreicht.
»Nein!« Die Gefühle übermannten Lorin, er nahm nichts mehr von seiner Umgebung war, sein Blickfeld konzentrierte sich auf das unmittelbar vor ihm Liegende.
Die Ereignisse erlebte er in einem seltsamen Rausch. Er sah die Dielen des Flurs unter seinen Stiefeln undeutlich vorbeihuschen, dann kamen die Treppenstufen, die nach oben führten; das Poltern seiner Schritte klang überlaut.
Dann aber überlagerten die entsetzlichen Schreie seiner Gemahlin alles, was seine Ohren vernahmen. Er folgte dem Klang ihrer verzweifelten Stimme und stand kurz darauf im Schlafzimmer, das zu mehr als einem Drittel von der schwarz schuppigen Bestie ausgefüllt wurde. Jarevrän kauerte hinter dem Bett, Blut klebte am Saum ihres Kleides, zu ihren Füßen hatte sich eine große Lache gebildet.
Lorin bekam noch mit, dass er sich gegen den Qwor warf und seine Schwerthand zum Schlag erhob. Eine immense Wärme umspülte ihn, plötzlich wurde es blendend weiß, und er sah nichts mehr . .
»Lorin? Hörst du mich?«
Sein Gesicht wurde gestreichelt und geküsst. Er öffnete die Augen und schaute in das geliebte Antlitz Jarevräns, die daraufhin in Tränen ausbrach und sich an seine Brust warf. Er lag neben dem Bett. Über sich erkannte er die Decke und mehrere Kensustrianer, die ratlos um ihn herumstanden. Ihre Rüstungen wurden von frischen Kratzern und Dellen geziert, hier und da sickerte Blut aus Schrammen und Bisswunden.
»Ist der Qwor tot?«, krächzte er und fuhr über den schwarzen Schopf seiner Frau. Simar, dessen Arm einem Stück rohen Fleisch mit Stofffetzen daran glich, erschien in seinem Blickfeld und ging neben ihm in die Knie. »Ihr haben schwer verwundet, wir machten Rest.« Er biss die Zähne zusammen. »Nicht leicht. Vier tot.« Er sank
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