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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Residenz nachzubilden, und vollbrachte dies mit unheimlicher Präzision.
    Sie wusste, dass er derzeit dabei war, das Rechnen und Lesen für sich zu entdecken. Er erlernte es aus eigenen Stücken, ohne ihre Hilfe sonderlich in Anspruch zu nehmen. Hielten seine Fortschritte in diesem rasenden Tempo an, würde sie
    Lehrer ins Haus bestellen, mit denen Vahidin so viel Zeit
    verbringen konnte, wie er nur wollte. Seine Neugier war anscheinend unstillbar. Du bist etwas Einzigartiges. So etwas wie dich hat Ulldart noch nicht gesehen, dachte Aljascha und erhob sich. Nachdenklich nahm sie an dem kleinen Tischchen Platz, auf dem Milch und ein paar Kekse angerichtet standen. Von dort aus beobachtete sie ihren abgöttisch geliebten Sohn, ein Zeitvertreib, dem sie stundenlang nachzugehen vermochte.
    Was ihr unendliche Freude bereitete, sorgte bei den Bediensteten im Haus eher für Unwohlsein. Unheimliches ging mit dem Jungen vor, der in regelmäßigen Abständen einen unerklärlichen Wachstumsschub erfuhr. Seine Klugheit sowie die schnelle Auffassungsgabe hatten die Dienerinnen zuerst zum ehrfürchtigen Staunen gebracht, bis die Bewunderung in Argwohn umgeschlagen war, sodass Aljascha sämtliche Angestellten entlassen hatte und sich nun selbst um alles kümmerte. Die für sie im Grunde unerträgliche Bürde, sich mit den Alltäglichkeiten des Lebens in Granburg auseinander zu setzen, nahm sie für ihren Spross ohne Murren hin.
    Der Junge setzte einen Bauklotz auf den nächsten. Er arbeitete, ohne zu stocken oder länger über sein Tun nachzudenken. Während seine Altersgenossen froh waren, sicher über die holprigen Straßen laufen und einfache, kurze Sätze von sich geben zu können, sprach Vahidin längst fließend und verfügte über eine auffallend gute Körperbeherrschung. Nichts an diesem Kind war gewöhnlich. Und das wiederum war hervorragend.
    Wann wird die Magie in dir erwachen?, fragte sich Aljascha versonnen und versuchte, im anmutigen Gesicht Ähnlichkeiten zu seinem Vater zu entdecken.
    Die Saat, die Mortva Nesreca bei ihren Liebesabenteuern in ihren Schoß ergossen hatte, brachte eine Frucht hervor, aus der ein alle anderen überragender Baum wuchs. Oder anders ausgedrückt: Mit Vahidin würde sie zurück an die Macht gelangen, zuerst in ihrer einstigen Baronie Kostromo und anschließend in Tarpol. Was danach kommt,
    warte ich ab. Ich habe gelernt, nicht zu viel zu wollen. Nicht zu viel auf einen Schlag. Es ärgerte Aljascha maßlos, dass ausgerechnet Norina Miklanowo, diese kleine granburgische Hure, auf dem Thron des Landes saß, auf ihrem Thron saß, nach dem sie in den vergangenen Jahren vergebens die Hände ausgestreckt hatte. Weder durch Lodrik noch durch Mortva oder Govan und Zvatochna war sie, Aljascha, an die Spitze Tarpols gelangt, und der erneute Machtwechsel im fernen, modernen und schönen Ulsar brachte ihr rein gar nichts ein. Sie hockte noch immer im mehr oder weniger komfortablen Haus in Granburg und musste sich mit einer dürftigen Rente begnügen, die ihr der Gouverneur am Anfang jeden Monats auszahlte. Wenigstens war der Hausarrest gelockert worden. Selbst Aljaschas Lieblingszeitvertreib - Männer - geriet in der unwirtlichen Provinz in den Hintergrund. Früher hatte sie sich jede Woche einen neuen Mann für ihr Schlafgemach erwählt. Damit war es jetzt vorbei. Die Fürsorge für den sich rasant entwickelnden Vahidin erlaubte keine intimen Bekanntschaften und amourösen Abenteuer, und so hatte sie sich aus der Öffentlichkeit vorerst zurückgezogen. Die einst mächtigste Frau Ulldarts hatte ihr Leben und sogar sich selbst ihrem Sohn untergeordnet. Für sie gab es keine höhere Priorität als ihn, und zum ersten Mal fühlte sie sich als Mutter. Das war bei ihren Drillingen anders gewesen.
    Es klingelte laut; jemand bediente die Türglocke heftiger,
    als es sich schickte.
    »Spiel weiter, Vahidin«, sagte sie und stand auf. »Es ist Besuch für mich.«
    Ausnahmsweise freute sie sich auf die Gäste, denn es waren Menschen, die ein ähnliches Ziel verfolgten wie sie und die sich ausgezeichnet für ihre eigenen Pläne einsetzen ließen. Nun würde sich zeigen, wie gut sie das Intrigenspiel noch beherrschte. Aljascha eilte durch die hohen Räume, die Treppe hinab zum Eingang und schaute durch das Guckloch.
    Auf der anderen Seite der Tür warteten drei Männer, deren Äußeres eher unscheinbar zu nennen war. Sie trugen die Arbeitskleidung von fahrenden Tischlern aus dem nahen Borasgotan und hatten Bohlen

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