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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Hohepriester entschieden hat, was wir tun oder was wir lassen sollen«, verabschiedete er sich von ihr und verneigte sich. »Der Gebrannte möge Euch segnen. Euch und Euer Kind.«
    »Ich danke dir, Lukaschuk. Glaube mir, Tzulan hat mich bereits gesegnet und mir den Sohn Ischozars geschenkt. Sag das deinem Hohepriester«, erwiderte sie so freundlich und voller Überzeugung, dass der Mann stutzte und beinahe nachgefragt hätte, was sie damit andeuten wolle. Er entschied sich jedoch anders und setzte den Fuß auf die
    Schwelle. »Vielen Dank, dass Ihr uns so großzügig entlohnt habt, Vasruca«, sagte er laut. »Ruft uns, falls der Balken nicht halten sollte.« Mit diesen Worten machten sich die Männer auf den Weg die Straße hinab.
    Aljascha verriegelte die Tür und kehrte zu Vahidin zurück, der seine Arbeiten an dem Straßenzug aus Bauklötzen abgeschlossen hatte. Er beschäftigte sich gerade damit, die letzten vorstehenden Kanten aus den hölzernen Mauern verschwinden zu lassen, indem er mit seinen Fingerchen schob und drückte. Vertieft in die diffizile Arbeit, bemerkte er seine Mutter erst, als sie ihm liebevoll über die Wange strich, woraufhin er erschrak, jählings zusammenzuckte und die Mauer ins Wanken brachte. Sie neigte sich gefährlich nach links, die oberste Reihe verschob sich bereits und drohte abzugleiten - da fror das gesamte Konstrukt ein und verharrte regungslos.
    Verblüfft schaute Aljascha auf das Phänomen. Der Junge aber nutzte die Gelegenheit, streckte die Hand furchtlos aus und rückte die Holzklötze gerade. Sein Bauwerk war gerettet.
    »Fertig, Mutter«, rief er stolz und reckte die Arme, damit sie ihn hochhob. »Magst du meine Straße? Ich habe sie Kabcara-Aljascha-Straße genannt.«
    Sie nahm ihn auf den Arm und gab ihm einen überglücklichen Kuss auf die Wange. »Danke sehr, Vahidin. Aber sag mir, wieso ist die Mauer eben nicht umgefallen?«
    Er zuckte mit den Schultern und ahmte übertrieben Ratlosigkeit nach. »Weiß nicht.«
    »Aber sie wäre umgekippt, weil ich dich erschreckt habe, oder?«
    »Ich habe mir einfach gewünscht, dass sie nicht umkippt,« antwortete er wahrheitsgemäß, »und dann ist es so passiert«
    Aljascha jubilierte innerlich. Seine Magie war erwacht! Sie
    schaute ihn eindringlich an. »Vahidin, hast du dir schon öfter
    mal etwas gewünscht, was dir in Erfüllung gegangen ist?«
    Er überlegte kurz. »Ja«, nickte er dann und schielte auf das Antlitz seiner Mutter. »Ist das etwas Schlechtes? Soll ich es
    nicht mehr tun?«
    Sie drückte ihn, wiegte ihn hin und her. »Nein, mein edler Tadc«, lachte Aljascha und tat so, als wollte sie ihm mit ihrem Daumen und Zeigefinger die Nase stehlen. »Es ist gut, dass du das kannst, aber es ist wie bei dem Kunststück mit deinen Augen.« Sie hob den Zeigefinger.
    »Nur wenn wir üben und allein sind«, sagte er sofort. »Ich verspreche es, Mutter.« Er legte die Arme um ihren Hals. »Ich habe dich lieb«, hauchte er. »Und ich werde mir niemals wünschen, dass du stirbst, sondern dass du immer bei mir bleibst.«
    Ohne dass sie es verhindern konnte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Sie schaute ihm in die braunen Augen und sagte: »Wir beide, Vahidin, müssen noch viel üben, damit deine Wünsche so in Erfüllung gehen, wie du es haben möchtest.«
    Er erwiderte ihren Blick, bis das Starren unangenehm für sie wurde. Sie fühlte ein leichtes Stechen im Kopf, das in ein unangenehmes Ziehen überging; Schwindel erfasste sie. »Hör bitte auf damit«, sagte sie und bemühte sich, weder Angst noch Strenge in die Stimme zu legen, um ihn nicht zu verunsichern. Dann stellte sie ihn auf den Boden, wo er sofort nach ihrer Hand langte.
    »Habe ich dir wehgetan, Mutter?«, fragte er mit piepsiger Stimme und großen Augen, das Magenta durchdrang das
    Braun. »Das ... wollte ich nicht!« Eine Träne schwappte über
    den Lidrand und rann langsam an der Nase vorbei bis zur
    Oberlippe, von der er sie mit seinem Ärmel wegwischte.
    »Entschuldigung! Ich wollte doch nur wissen, was du dir wünschst, um es dir zu erfüllen ...«
    Aljascha zwang sich zu einem Lächeln. »Mir ist nichts geschehen, Vahidin. Geh ins Bad und zieh dich aus. Heute wirst
    du in die Wanne steigen.«
    »Oh, schön!«, freute sich der Junge erleichtert und klatschte in die Hände. »Ich mache Tiere aus Seifenschaum und lasse sie wieder lebendig werden«, sprudelte es aus ihm heraus, er ging plappernd zur Tür, schritt den Flur entlang und entfernte sich

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