Trügerischer Friede
Rumpf an dieser Stelle in Stücke. Unaufhaltsam sog sich der Kielraum voll und zog die Galeere nach unten. Sie bekam starke Schlagseite und konnte das Feuer nicht mehr erwidern.
Die überglückliche palestanische Mannschaft ließ Puaggi für diesen riskanten, aber gelungenen Streich hochleben. Sie hatten ihn, der kaum älter als der Schiffsjunge war, zu ihrem neuen Commodore erkoren.
Jetzt gab es nichts mehr, was die Erhabenheit an ihrer Flucht hindern konnte. Die Bombarden der Festungen zielten auf sie, aber die Kugeln plumpsten weit hinter dem Schiff wirkungslos ins Meer. Während Puaggi die Glückwünsche der Unteroffiziere entgegennahm, spürte er, wie ihm der Schweiß unter der
kleinen Perücke hervor über die Stirn rann. Seine Beine wurden nach der überstandenen Gefahr weich, doch er fühlte sich großartig. Zumindest bis ihm der Ausguck eine tarvinische Dharka meldete, die unter rogogardischer Flagge lief.
Der nächste Erzfeind hielt Kurs auf den Segler.
»Dem Steuereintreiber entronnen und dem Räuber in die Arme gelaufen«, verglich er seine Lage und betrachtete die abenteuerlustigen Gesichter seiner Leute, die ihm nach dem vollbrachten Meisterstück offenbar weitere Heldentaten zutrauten.
Der Anblick des feindlichen Schiffes erweckte einen wahnwitzigen Einfall: Es wurde Zeit, dass die Palestaner endlich für ihr Draufgängertum bekannt wurden. Puaggi grinste wie ein frecher Knabe, was sein schmales Gesicht ungewöhnlich breit machte. »Schiff klar zum Gefecht!«, flog seine Anordnung über das Deck.
In der langen Tradition der palestanischen Marine war es selten, wenn nicht sogar niemals vorgekommen, dass eine Mannschaft bei diesem Kommando vor Freude aufgeschrien hätte. Kontinent Ulldart, Königreich Tarpol, Provinzhauptstadt Granburg, Sommer im Jahr i Ulldrael des Gerechten (460 n. S.)
Komm zu mir, Vahidin!« Aljascha ließ sich ungeachtet des
teuren, dunkelgrünen Kleides auf die Knie nieder und breitete die Arme aus, während der Junge lachend auf sie zugelaufen kam und sich gegen sie warf, das Gesicht an ihren Hals presste und sie glücklich an sich drückte. »Stürmischer Wildfang«, rügte sie ihn halb ernst und halb im Spaß. »Ich habe nicht gemeint, dass du mich umrennen sollst.« Sie rückte seine Uniform zurecht, in der er aussah wie ein kleiner Königssohn, und schob die Mütze gerade.
Er schaute sie entschuldigend an und hielt ihr zur Versöhnung die Schiefertafel hin, auf der er mit Kreide gemalt hatte. Das Bild zeigte eine kleine und eine große Figur vor einem Gebäude; die Sonne schien, und um sie herum standen viele Menschen.
»Für dich, Mutter«, sagte er und schaute sie aus seinen magentafarbenen Augen voller Liebe an. Für einen winzigen Moment erlaubte er seinen Pupillen, ihre dreifach geschlitzte Form anzunehmen, und zwinkerte ihr zu. »Das sind wir«, er zeigte auf die beiden Figuren, »und die anderen, das sind die Granburger. Du bist ihre Königin, und sie freuen sich.«
»Oh, wie lieb von dir.« Aljascha nahm die Tafel. »Es ist fast zu schön, um es wegzuwischen.« Sie betrachteten das kindliche Kunstwerk gemeinsam. »Weißt du was? Ich werde es aufbewahren und dir eine neue Tafel kaufen, auf der du malen kannst.« Über Vahidins hübsche Züge ging ein Leuchten; er war stolz, ein solches Lob von seiner Mutter zu erhalten. »Aber junger Mann, wir haben doch vereinbart, dass du das Kunststück mit deinen Augen nicht mehr machen sollst.«
»Wir sind doch allein«, erwiderte er rasch. »Hier ist ja keiner.«
Aljascha ließ die Widerworte nicht zu. »Vahidin, du musst dich an das halten, was du mir versprochen hast. Und wie lautet dieses Versprechen?«
Er senkte den Kopf. »Dass ich es nicht mehr mache. Nur wenn wir zusammen üben«, wiederholte er den kleinen Eid bedrückt.
»Gut, mein Lieber.« Sie streichelte seine Wange. »Das war das letzte Mal, sonst muss ich mir eine gerechte Strafe für dich ausdenken.«
Er nickte erleichtert und schaute sie wieder froh an. Das kräftige Purpur um die Iris war verschwunden und einem freundlichen, warmen Braun gewichen. »Darf ich wieder spielen gehen?«
»Sicher, Vahidin.« Aljascha nahm sein Gesicht zwischen beide Hände, hauchte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze und entließ ihn zurück an den Tisch, auf dem er Bauklötze zu Gebäuden zusammengestellt hatte.
Das sind ja unser Haus und unsere Straße!, bemerkte sie nach einem längeren Blick. Ihr Sohn war damit beschäftigt, die gesamte Umgebung ihrer bescheidenen
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