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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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gegeben hatte, wurden Großereignisse, die nicht nur die Menschen aus seiner Heimatstadt Bardhasdronda anlockten und in ihren Bann schlugen. So geschah es auch dieses Mal.
    An dem spätsommerlichen Abend hatten sich fünfhundert Menschen aus den Städten und Dörfern der Umgebung versammelt, um ihm bei der Darbietung zu Ehren Kalisstras zuzusehen und zuzuhören. Mehr wurden nicht auf die heilige Fläche gelassen, die von mächtigen Kiefern, Tannen und Fichten gesäumt wurde. Die Hohepriesterin Kiurikka hatte die Lichtung der Schutzgöttin des Kontinents geweiht.
    Lorins Frau Jarevrän, ein hellbraunes Kleid mit vielen Stickereien tragend, trat an seine Seite. Sie hatte seine ernste Miene bemerkt, nahm seine Hand und drückte sie zwischen ihren Fingern. »Was ist mit dir? Seit wann bist du vor einem Auftritt so unruhig und verschlossen?«
    Lorin schnalzte mit der Zunge, die Augen fest auf die Ansammlung der Steine gerichtet. »Es ist nichts Bestimmtes«, antwortete er langsam. »Die letzte Darbietung scheint mir nur so unendlich lange zurückzuliegen. Ich weiß nicht, ob das bisschen, was ich an Magie noch in mir trage, ausreicht, um die Klänge zu erzeugen, welche die Menschen gewohnt
    sind. Der Kampf gegen Govan hat mir mehr Kraft geraubt,
    als ich angenommen habe.«
    Die Sonnenstrahlen wanderten über die Lichtung und die
    Menschen, die auf dem dicken Moospolster saßen und geduldig warteten, bis sich Lorin blicken ließ. Um diese Jahreszeit, kurz vor dem Herbst, war das Licht besonders weich und fast so goldgelb wie der Honig. Umher schwebende Baumsamen und Spinnenfäden sahen ebenso verwunschen darin aus wie die Steingruppe. Bald würde die Kühle der Nacht dafür sorgen, dass sich ein sanfter Nebelschleier aus dem Moos erhob und der Lichtung etwas Überirdisches, Zwischenweltliches verlieh. Jarevrän gab ihm einen Kuss in den Nacken und schob ihn sanft vorwärts. »Lass sie nicht länger warten. Sie freuen sich, dass du ihnen nach deiner Rückkehr endlich wieder die Schönheit der Klingenden Steine zeigst.«
    Lorin schenkte seiner schwarzhaarigen Frau ein verzagtes Lächeln. »Ich werde sie nicht enttäuschen.«
    Die Menschen, die eben noch in leise Gespräche vertieft gewesen waren, verstummten abrupt. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf den jungen Kalisstronen, der als Fremder vor vielen Jahren an den Strand von Bardhasdronda gespült und inzwischen einer der ihren geworden war. Seine klaren blauen Augen verrieten deutlich seine andersartige Herkunft, hatten Kalisstri doch stets grüne Augen. Nach all seinen Heldentaten vertraute man ihm blind und hatte ihn sogar zum stellvertretenden Kommandanten der Wachen ernannt.
    Lorin verbeugte sich und hielt sich nicht lange mit Vorreden auf; die Städter kannten ihn, und er wusste, weshalb sie gekommen waren. Den Lohn für sein Tun - die stille Anerkennung und den Beifall 1 würde er von ihnen erhalten,
    nachdem der letzte Ton verklungen war.
    Er wandte sich zu den Steinen, schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine magischen Fertigkeiten, wie er es so oft zuvor getan hatte. Auf diese Weise stellte er den Kontakt zu den seltsamen Felsen her, von denen keiner sagen konnte, woher sie stammten und wie sie auf die Lichtung gekommen waren.
    Als der erste Ton schwach erklang und er das leise, aufgeregte Luftholen der Menschen in seinem Nacken hörte, entspannte er sich, obwohl er immer noch fürchtete, dass die Steine auf seine veränderte Magie anders reagieren könnten
    als gewöhnlich.
    Doch Kalisstra war mit ihm.
    Lorin öffnete die Lider und sah die Steine, wie sie dunkelblau glommen und pulsierten, ihre einzigartigen Stimmen erhoben und zu einer nie gehörten Weise ansetzen Er hielt den magischen Reiz auf die Gruppe aufrecht. Die Töne schwollen an, je länger er seine Macht auf das Gestein einwirken ließ, und das Leuchten nahm an Kraft zu. Als er einen Blick über die Schulter wagte, freute er sich über die verzückten Gesichter der Männer, Frauen und Kinder; Kalfaffel, der cerelische Bürgermeister, saß in der ersten Reihe und lauschte ebenso andächtig wie die Übrigen. Sie merkten nicht, dass der Stein nicht mehr so rein und sauber klang wie beim letzten Mal, als er auf der Lichtung gestanden hatte. Sein geschultes Ohr hörte die winzigen disharmonischen Schwingungen im Gesang der Felsen, die es ihm ganz offensichtlich verübelten, dass er sie nicht mit der ihnen gewohnten Menge an Magie bedachte. Die versammelten Kalisstri aber gaben sich mit dem

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