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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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breitkrempige Schlapphüte, die das Gesicht überwiegend verdeckten. Mit den Bündeln und Werkzeugen, welche sie zum Schein immer noch mit sich führten, erweckten sie den Eindruck fahrender Zimmerleute.
    Lukaschuk bemerkte, wie sehr Vahidin an Größe gewonnen hatte, und staunte schlecht verhohlen. Der Fremde nickte ihnen zu. Er sah unzufrieden aus; die
    Falten in seinem Gesicht machten ihn gewiss älter, als er war. »Lukaschuk hat Euer Anliegen mir, dem Hohepriester Tzulans, vorgetragen«, begann er und verzichtete auf Formalitäten, von denen der Junge wusste, dass seine Mutter großen
    Wert darauf legte. »Es hört sich gut an, aber es beinhaltet keinerlei Garantien uns gegenüber für den Fall, dass Euer Plan aufgeht und Ihr Kabcara werdet.« Er hob beschwichtigend die Hände, da er die Zornesröte im hübschen Gesicht
    der Frau bemerkte. »Haltet mich nicht für einen Mann, der Euch Unehrlichkeit unterstellt, Vasruca, dennoch möchten wir eine schriftliche Form der Abmachung, die Ihr unterzeichnet.« Seine glasigen, versoffenen Augen richteten sich bedeutungsvoll auf Vahidin. »Und ein Pfand.«
    »Das kann nur ein Scherz sein!« Aljascha, die einen einfachen Überwurf aus dunkelbraunem Stoff gewählt hatte, um ihre Garderobe vor dem Schmutz der Straße zu schützen, lachte hell und spöttisch.
    »Ich soll dir meinen Sohn anvertrauen ? Der Gebrannte hat dich sicherlich mit vielem gesegnet, aber gewiss nicht mit Klugheit.«
    »Eure Schönheit soll von Eurer Unverschämtheit ablenken, nehme ich an«, gab der Hohepriester unbeeindruckt, wenn auch leicht drohend zurück. »Ansonsten hätte man Euch sicherlich schon lange totgeschlagen.« Als er noch etwas hinzufügen wollte, versagte ihm die Stimme. Er langte sich an die Brust und keuchte hilflos, sein Kopf lief blau an.
    Vahidin ließ Aljaschas Hand los und stellte sich vor den Mann, der in die Knie brach und auf den Jungen stierte. Die Augäpfel traten weit aus den Höhlen, schwollen an, bis die roten Äderchen platzten und das Weiß verfärbten. »Du bist
    unhöflich«, stellte der Knabe böse fest. »Meine Mutter ist hier, um mit dir zu reden, und du bringst sie dazu, sich zu ärgern. Dabei hast du dich nicht mal vorgestellt.« Aljascha hatte ihn zurückhalten wollen, doch nun kam ihr
    Vahidins Zorn gerade recht. Sie ließ ihn gewähren und betrachtete seine Kraftprobe als eindrucksvolle Zurschaustellung seiner Macht vor denen, welche ihn alsbald als göttliches Wesen verehren würden.
    »Zeige ihnen dein wahres Wesen«, sagte sie und erlaubte ihm damit, das Kunststück zum Besten zu geben, das er so sehr liebte.
    »Was geht hier vor!?«, rief Lukaschuk aufgeregt, trat nach vorn und wollte den unheimlichen Jungen beiseite schieben, da hob Vahidin den Kopf und schaute ihn aus magentafarbenen Augen mit dreifach geschlitzten Pupillen an. »Der Sohn lschozars!«, stieß er ehrfürchtig aus und verharrte. »Ich hatte keine Ahnung, wie ernst Ihr es meintet, als Ihr davon spracht, von Tzulan gesegnet worden zu sein, Vasruca«, stammelte er.
    Vahidin schaute auf den erstickenden Hohepriester. »Ich wünschte, du wärst tot«, sprach er mit fester Stimme.
    Kaum endeten seine Worte, barsten die inzwischen Zwetschgengroßen Augen, Flüssigkeit spritzte umher. Obwohl der Hohepriester verzweifelt versuchte, seine Schmerzen laut in die Welt zu schreien, quietschte und fiepte er wie eine Ratte. Von einem Moment auf den anderen entspannte sich sein verkrampfter Leib, und er fiel auf die Seite, während sich geronnenes, fast schwarzes Blut wie lange, widerliche Würmer aus der Nase, dem Mund und den Ohren schob.
    Der Knabe betrachtete die rosafarbenen Flecken auf seiner Uniform, dann drehte er sich zu Aljascha.
    »Es war keine Absicht«, gestand er, um die bevorstehenden Wogen mütterlicher Ungnade zu glätten.
    »Der Hohepriester hat mich getroffen.«
    Aljascha streckte den Arm mit der geöffneten Hand aus. »Es ist nicht schlimm«, meinte sie und gewährte ihm ausnahmsweise Gnade. »Du konntest wirklich nichts dafür, Vahidin.« Der Junge fasste ihre Finger, stellte sich neben sie und betrachtete die Männer argwöhnisch. Eine tiefe Falte stand auf seiner Stirn. »Um den Hohepriester tut es mir nicht Leid«, sagte sie zu Lukaschuk. »Es wird ein Leichtes sein, jemanden zu finden, der geeigneter ist als er.«
    »Verzeiht mir, Vasruca«, beeilte Lukaschuk sich zu versichern. Er hatte die Überraschung noch immer nicht überwunden, was angesichts der jüngsten Vorkommnisse nur

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