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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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verzückt. Er fühlte sich wie der glücklichste Mensch der Welt. Estra spürte, dass merkwürdige Dinge mit dem Ritter vorgingen. »Tokaro!«, rief sie, doch er reagierte nicht. Also beugte sie sich nach vorn und wollte ihn sachte rütteln, doch sie verlor das Gleichgewicht und rutschte aus dem glatten Sattel.
    Einer Eingebung folgend, fing er sie auf, doch damit nicht genug: Er küsste sie mitten auf den Mund!
    Das ging Estra ein wenig sehr schnell, und vor Überraschung versetzte sie ihm eine schallende Ohrfeige. Das Klatschen und der Schmerz zerstörten den Tagtraum. Tokaros Verklärung schwand, und anstelle einer Estra in einem wunderschönen Brautkleid stand ihm eine sehr giftig dreinblickende gegenüber.
    »Wie kannst du es wagen, mich zu küssen?«, fuhr sie ihn an.
    Seine Wange pochte, die junge Frau hatte fest zugeschlagen. »Ich habe dich geküsst?« Er blinzelte in die Sonnen. »Schade, dass ich es nicht mehr weiß. Es war gewiss wundervoll.«
    »Ein schöner Ritter bist du! Du machst dich auch noch
    lustig darüber?«
    Er hob die Hand zum Schwur. »Bei Angor und meiner aldoreelischen Klinge, die einst dem Großmeister und meinem Ziehvater Nerestro von Kuraschka gehörte: Was immer ich tat, ich tat es nicht absichtlich.« Er vermied es, in ihre faszinierenden Augen zu schauen, weil er fürchtete, die betörende Verwirrung könne ihn wieder treffen. »Es waren deine Augen«, sagte er leise. »Sie haben mich in den Bann gezogen und mich schwärmerisch werden lassen. Verzeih mir.«
    Estra wurde unsicher. Sie streckte die Hand vorsichtig nach der rot leuchtenden Wange des Ritters aus.
    »Nein, mir tut es Leid«, sagte sie ehrlich. »Ich wollte nicht so hart zuschlagen.« Und eigentlich hatte sie sich auch in ihren Träumen gewünscht, dass sich ihre Lippen berührten. Tokaro grinste. »Ich habe schon Schlimmeres ausgehalten.« Er deutete auf den Sattel. »Möchtest du wieder hinauf?«
    »Nein«, wehrte sie ab. »Ich laufe besser.«
    Sie kehrten schweigend zum Haupttor zurück, wo kein Pashtak auf sie wartete, dafür aber einer der Wächter wiegenden Schrittes auf Tokaro zuging.
    Die Kreatur war so groß wie ein Ritter zu Pferd. Aus seiner Stirn wuchsen zwei kleine und zwei große Hörner, der Leib von der Dicke zweier Fässer steckte in einer grob geschmiedeten Rüstung. Die Hand hielt einen Spieß, der sicherlich vier Schritt lang war und aus Eisen bestand. Wer Pashtaks knochigen, flachen Kopf mit den tief im Schädel sitzenden Augen als
    Furcht einflößend bezeichnete, hatte noch nie einem solchen Wesen gegenübergestanden. Ob er es wollte oder nicht: Die
    Schritte des Ritters verlangsamten sich.
    »Es ist ein Nimmersatter«, sagte Estra völlig gelassen neben ihm. »Sie sehen schlimmer aus, als sie in Wirklichkeit sind, doch reizen würde ich sie niemals. Das geht übrigens recht einfach. Möchtest du es sehen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Der Wächter blieb vor ihm stehen und schaute auf ihn herab. »Ihr seid ein Ritter«, stellte er fest und tippte behutsam gegen die Rüstung und das Ordensabzeichen.
    »Mein Name ist Tokaro von Kuraschka. Ja, ich bin ein Ritter vom Orden der Hohen Schwerter, der für Angor, den Gott des Krieges .. «
    ». . des Kampfes, der Jagd, der Ehrenhaftigkeit und der Anständigkeit«, fiel ihm der Nimmersatte begeistert ins Wort. »Ich weiß alles über den Orden, ich war bei der Schlacht in Taromeel dabei und habe gesehen, wie Kaleiman von Attabo die Truppen führte.« Er beugte sich nach vorn, und der junge Mann wich den heran zischenden Hörnern aus. »Ich messe mich nicht mit dir«, sagte Tokaro sogleich. Der Nimmersatte lachte dunkel und satt, der Ton brachte die Gedärme zum Kribbeln. »Verzeiht meine Unhöflichkeit. Ich bin Gän. Ihr versteht mich falsch. Ich will nicht kämpfen. Ich möchte ein Ritter werden und zu Ehren Angors kämpfen.«
    Tokaro hatte geglaubt, dass ihn nach den bisherigen Erlebnissen auf den Schlachtfeldern, auf hoher See und den Irrungen seines Herzens nichts mehr überraschen und erschüttern könne. Bis eben.
    Nicht nur, dass der Nimmersatte die Sprache der Menschen sehr gut beherrschte. Viel mehr verunsicherte ihn dessen Anliegen. »Du willst ein .. « Es verschlug ihm die Sprache. Gän nickte, die leuchtend weißen Augen, in denen jeweils zwei schwarze Pupillen saßen, schauten bittend. »Ich habe gehört, dass der Großmeister nach Ammtara kommt. Werdet Ihr ihm meine Bitte vortragen ?«
    »Ja«, zwang er sich zu sagen. »Ich verspreche es.«

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