Trügerischer Friede
hätte.«
»Man hasst uns«, erinnerte ihn Puaggi niedergeschlagen.
»Man hasst Palestan wegen der Vergangenheit, und das nicht ohne Grund.« Er hielt dem jungen Mann die geöffnete Rechte hin. »Schlagt ein, und wir zeigen Ulldart, dass es sich um die Zukunft nicht zu sorgen braucht.«
Puaggi holte tief Luft, schaute auf die schwieligen Finger des Rogogarders und ergriff sie. »Ich bin mit Euch, Kapitän Rudgass. Fühlen wir den Tzulandriern auf den Zahn.«
Kontinent Ulldart, Königreich Türis, die freie Stadt Ammtara, Spätsommer im Jahr 1 Ulldrael des Gerechten (460 n.S.)
Mach ich etwas falsch?, fragte sich Estra und gewann den Eindruck, dass, was immer sie auch zu den kensustrianischen Besuchern sagte, nicht eben gut aufgenommen wurde. Die Priester Kovarem und Relio steckten bei jeder ihrer Erläuterungen zu den Gebäuden und der Vergangenheit Ammtaras die Köpfe zusammen und unterhielten sich leise, und leider taten sie das so gedämpft, dass Estra nichts von dem
Geflüster verstand.
Jedes noch so unscheinbare Zeichen an Mauern und Gebäuden wurde von ihnen betrachtet, und der kleinere der beiden kratzte unentwegt fremde Kürzel in ein Wachsbrettchen. Die eindrucksvollen Krieger ließ der Stadtrundgang vollkommen kalt. Sie achteten nur darauf, dass ihnen niemand zu nahe kam.
Allmählich machte Estra sich Sorgen. Wo blieb nur Pashtak?
»Inquisitorin«, sagte Relio freundlich. »Wärt Ihr wohl so nett, uns zum höchsten Punkt der Stadt zu führen, von dem aus man eine wunderbare Aussicht hat? Ich dachte dabei an den Turm, den wir anfangs sahen.«
»Sicher. Folgt mir zum Versammlungsgebäude.« Estra ging voraus, hielt den Abstand jedoch absichtlich so gering, dass sie dieses Mal etwas von den Unterhaltungen verstehen konnte. Auch wenn sie nicht so aussah, war doch ihr Blut zur Hälfte kensustrianisch, und zudem hatte ihre Mutter sie die Sprache gelehrt.
»Es stimmt alles mit den Berechnungen überein«, sagte Relio aufgeregt. »Im Namen Lakastras, wir müssen es ihnen sagen!«
»Nein, wir fällen kein Urteil, bevor wir diesen Ort nicht von oben gesehen haben«, erwiderte Kovarem.
»Noch könnte man es vor den anderen vertreten. Es käme auf die Auflagen an.«
Estra horchte auf und hatte das Gefühl, dass ihre Ohren dabei immer spitzer wurden. Ihre Mutter hatte sich Lakastre genannt, als sie in Ammtara lebte. Gab es einen Zusammenhang zwischen ihrem Namen und der Stadt? Sie schaute hinter sich und lächelte die beiden Männer an, die sie daraufhin irritiert anschauten. Sie betete, dass die Ähnlichkeit Gutes bedeutete. Die Priester aber schwiegen nun und taten ihr nicht den Gefallen, mehr als diese mysteriöse Andeutung von sich zu geben. So langsam sie durch die Straßen von Ammtara liefen, Pashtak erschien einfach nicht. Also führte Estra die Delegation auf den Turm. Schnaufend erklommen sie die Treppen und gelangten auf die überdachte Plattform, die sich sicherlich hundertfünfzig Schritte über die Dächer der Häuser erhob. Hier oben standen stets vier Bewohner Wache und hielten nach starkem Rauch in der Stadt Ausschau, um einen Brand sofort zu bemerken und eine große Katastrophe zu verhindern. Die Priester traten vor bis zur Brüstung und redeten wieder leise miteinander; der starke Wind trug ihre Worte davon und ließ die Inquisitorin, die ihnen folgte, weiterhin im Unklaren. Gewöhnlich liebte sie den Ausblick auf die Stadt, doch nun beschlich sie das Gefühl, dass es womöglich nicht mehr lange bei diesem idyllischen Bild bleiben würde. Hatte sie mit ihrer Führung Schreckliches für ihre Heimat angebahnt?
Eilige Schritte kamen die Treppe herauf. Pashtaks unverkennbarer Kopf erschien Stück für Stück; er bemühte sich sichtlich, den Besuchern mit seinem Anblick keinen Schrecken einzujagen. »Willkommen in Ammtara«, grüßte er und verbeugte sich vor den Gästen. »Ich bin Pashtak, der Vorsitzende der Versammlung der Wahren, welche mit der Zustimmung der Bewohner über die Geschicke der Stadt entscheidet.«
»Ich bin Relio, das ist Kovarem. Wir sind eine Abordnung
der Priesterschaft Lakastras. Lakastra ist der Gott des Südwindes und des Wissens, wir verdanken ihm vielerlei Fortschritte in unserem Land«, erklärte er grob, als er das Unverständnis in Pashtaks gelben Augen sah.
»Ihr habt einen weiten Weg unternommen, um uns Eure Aufwartung zu machen. Wie können wir Euch helfen?«, fragte er freundlich und bemerkte die sorgenvollen Züge seiner Inquisitorin nicht.
»Ihr habt
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