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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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mir zum Turm«, lautete seine aufgeregte Anweisung.
    Sie rannten durch das abendliche Ammtara zum Versammlungsgebäude und eilten die Stufen hinauf, wobei Tokaro in seiner schweren Rüstung bald hinter ihnen zurückfiel und sie auf ihn warten mussten. Endlich standen sie oben auf der Plattform. Pashtak stellte sich an die Brüstung, hob den Talisman und deutete nach unten. »Seht ihr, was ich meine?«
    Ein goldener Schimmer lag über der Stadt. Das Licht der Fackeln und Laternen der Menschen, die in der hereinbrechenden Dämmerung unterwegs waren, beleuchtete Ammtara. Der vielfache Lichtschein zu ihren Füßen gab das Geheimnis der Stadt preis.
    »Bei Angor! Ich sehe es!«, rief Tokaro, dessen Gesicht vom Schweiß glänzte, und klammerte sich an das Geländer. Die Straßen und Wege zeichneten die Linien des Amuletts haargenau nach. Die drei liefen auf ihrem Aussichtspunkt entlang und verglichen weiter. Jetzt, wo sie die zugrunde liegende Ordnung verstanden hatten, fiel es ihnen leicht, die Übereinstimmungen zu finden.
    »Sie hat eine genaue Kopie ihres Amuletts bauen lassen«, flüsterte Estra abwesend, hob den Blick und schaute dorthin, wo die Feuer des kensustrianischen Heeres brannten. Was hast du der Stadt angetan, Mutter? Sie erinnerte sich an den Spruch, der auf der Rückseite des Amuletts eingeritzt war: »Mein Leben währt zweifach, indem es vielen den Tod bringt.« Wolltest du, dass die Stadt untergeht? Welchen Pakt hast du mit deinem Gott geschlossen?
    Tokaro betrachtete ihr betrübtes Gesicht, und im schwachen Lichtschein erkannte er in ihrer Augenpartie plötzlich die Ähnlichkeit mit jenem Mann, dem er so viel verdankte. Konnte es sein, dass sie die Tochter von Belkala und Nerestro war? Es würde erklären, weswegen sie so heftig reagiert hatte, als er schlecht über Belkala geredet hatte.
    Damit hätte die Liebe zwischen dem Großmeister und der Priesterin eine Nachkommin geboren, als sich beide schon getrennt hatten. Das mochte der Grund sein, weshalb er eine Tochter niemals erwähnt hatte: Er hatte nichts von ihr geahnt.
    Tokaro fühlte sich hin und her gerissen. Die Empfindungen, die er seit dem ersten Zusammentreffen mit der jungen Inquisitorin hegte, wurden durch seine Vermutungen erschüttert. Zum einen war sie Fleisch und Blut des Mannes, den er wie einen Vater geliebt hatte, doch gleichzeitig gehörte die andere Hälfte zu der Frau, die er durch die Erzählungen seines Adoptivvaters und Kaleimans zu hassen gelernt hatte. Er benötigte unbedingt Gewissheit.
    »Estra«, krächzte er aufgewühlt, »bist du Belkalas und Nerestros Tochter?«
    Sie schaute sofort zu Pashtak. »Du hast es ihm gesagt?«, fragte sie empört und zugleich verletzt durch den vermuteten Vertrauensbruch.
    »Nein, ich habe nichts verraten«, wehrte er sofort ab.
    »Es ist mir selbst aufgefallen. Deine Augenpartie gleicht in diesem Licht sehr der deines Vaters«, sprang Tokaro Pashtak bei. »Wieso hast du es mir nicht gesagt, Estra?«
    Sie seufzte. »Weil ich ahnte, dass du schlecht von meiner Mutter und damit von mir denkst«, erwiderte sie betrübt. »Aber sie war nicht so, wie Nerestro sie dir geschildert hat. Sie gab mir Fürsorge .. «
    »Die gleiche Fürsorge wie Ammtara?«, fügte er hinzu und reckte sich, um zu den lagernden Kensustrianern zu blicken. »Dort siehst du, welche Früchte die Fürsorge hervorgebracht hat.«
    »Oh, schau dich an, Tokaro von Kuraschka!«, rief sie, und ihre karamellfarbenen Augen verloren den Ausdruck von Kummer; stattdessen machte sich Ablehnung breit, und sie kam mit geballten Fäusten auf ihn zu. »Du stehst da wie ein Abbild des selbstgefälligen und überheblichen Nerestro, von dem ich einiges gehört habe! So viel zum Glanz und Ruhm des .. «
    Er packte sie an den Schultern. »Rede niemals schlecht
    über ihn!«, warnte er sie und fühlte trotz des Grolls das Verlangen, sie innig auf die weichen Lippen zu küssen.
    Estra lachte provozierend. »Soll ich dir vielleicht noch für deine Milde danken, dass du mich nicht schlägst oder zum Duell forderst?« Sie schüttelte seinen Griff ab. Pashtak schob sich zwischen die beiden. »Hört auf! Was ist in euch gefahren? Verschwendet eure Kraft nicht damit, euch gegenseitig Beschimpfungen an den Kopf zu werfen, sondern überlegt, was wir tun können.« Er gab Estra das Amulett zurück. »Hier, stecke es wieder ein und zeige es niemandem. Einen Teil des Rätsels haben wir gelöst. Belkala hat ihre kensustrianischen Lehren in Stein gebaut.«
    Der

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