Trügerischer Friede
rufen.«
»Was soll er dabei?« Aus Angst, sich vor dem jungen Ritter offenbaren zu müssen, begehrte sie innerlich gegen die Entscheidung auf.
»Er ist derjenige, der deinem Vater am nächsten stand und vielleicht mehr über die Geheimnisse Belkalas weiß als du oder ich.« Er ging zu den Stufen. »Und beeil dich. Es wird nicht lange dauern, bis sich die Nachricht über die Forderung der Kensustrianer verbreitet hat.«
Sie trafen sich in dem Haus, das einst Belkala gehört hatte und in dem nun Shui, Pashtak und ihre Familie zusammen mit Estra lebten.
Tokaro stieß verspätet zu ihnen. Die Ankunft der Kensustrianer war dem Orden der Hohen Schwerter nicht verborgen geblieben, wie sie an der Rüstung erkannten, die er nun vollständig am Körper trug.
»Verzeiht, dass ich etwas länger benötigt habe«, entschuldigte er sich und vollführte rasch eine Verbeugung. »Ich soll Euch den Dank des Großmeisters, Kaleiman von Attabo» ausrichten, dass Ihr ihm und dem Orden eine Bleibe für die Nacht gewährt.« Er setzte sich vorsichtig auf den sehr zerbrechlich wirkenden Stuhl. »Die Kensustrianer vor den Toren sind ein beeindruckender Anblick. Was wollen sie? Ziehen sie nach Palestan, um den Krämern beim Vertreiben der Tzulandrier zu helfen, oder ...« Er bemerkte die sorgenvollen Gesichter von Estra und Pashtak. »Sind sie hier, um das zu tun, wonach es aussieht? Sie wollen Ammtara angreifen?«, rief er bestürzt. »Was ist geschehen?«
»Die Vergangenheit hat die Stadt erreicht. Nur wissen wir nicht genau, womit wir den Zorn der kensustrianischen
Priester auf uns gezogen haben. Es scheint aber, als hätte der
drohende Angriff etwas mit der Frau zu tun, die du unter dem Namen Belkala kennst«, erklärte ihm Pashtak. »Du warst der
Adoptivsohn des Großmeisters Nerestro von Kuraschka, der Belkala lange Zeit als Gefährtin an seiner Seite hatte.« Er goss
dem jungen Ritter Kräutertee ein. »Erzähle uns alles, was der Großmeister über sie berichtet hat. Und vergiss nichts.«
»Er war nicht mehr mit ihr zusammen, als er und ich uns begegneten.« Tokaro versuchte, sich die Gespräche mit seinem Adoptivvater ins Gedächtnis zu rufen. »Sie war eine Priesterin des Gottes Lakastra und hat dessen Lehren nach ihrem eigenen Willen verändert, die Gläubigen mit falschen Visionen geblendet und gefügig gemacht. Deswegen wurde sie aus ihrer Heimat verbannt.« Er nahm sich vom Tee. »Sie nutzte die gleichen Mittel bei ihm. Er deckte ihren Verrat und ihre Lügen auf und erfuhr aus dem Mund anderer Kensustrianer die Wahrheit über sie. So verstieß er sie.« Er sah das leidende Gesicht des Ritters vor sich. »Sie hat seiner Seele Schaden zugefügt und ihm durch ihre Falschheit vieles von dem genommen, was den Großmeister einst so überragend gemacht hatte - erzählten sich die anderen Ritter. Belkala war verdorben, schlecht und hat seinen Untergang mit verschuldet.«
»Unsinn! Sie hat ihn geliebt, bis in ihren Tod hinein! Wegen ihm litt sie wie ein Tier«, zischte Estra ihn wütend an, weil er von ihrer Mutter sprach wie von einer Hure. »Und sie war sicherlich nicht verdorben.«
»Du hast sie gekannt?«, wunderte sich Tokaro über die
Heftigkeit des unerwarteten Angriffs.
»Ich ... war dabei, als sie starb«, sagte sie und versuchte, ihre aufsteigende Wut auf den jungen Mann zu verbergen, um sich nicht zu verraten. Sie langte unter ihr Gewand und zog das augengroße Amulett an der Kette hervor, das ihre Mutter ihr kurz vor dem Tod gegeben hatte. »Ich erhielt es von ihr zum Geschenk, weil ich mich um sie kümmerte«, log sie und legte es auf den Tisch. »Vielleicht bringt es uns dem Geheimnis näher.«
Pashtak nahm das Amulett in die Hand, betrachtete nachdenklich die kensustrianischen Zeichen und Symbole, fuhr prüfend darüber, drehte und wendete es zwischen den Fingern. Vorsichtig schnupperte er an dem porösen Metall; es roch nach Lakastre und altem Tod. Angewidert legte er es zurück. Tokaro schielte zu Estra, die ihn keines Blickes mehr würdigte, und fragte sich im Stillen, was hinter ihrem ungestümen Ausbruch stecken mochte.
»Das ist es!«, brüllte Pashtak plötzlich. Er schnappte sich das Amulett und reckte es den beiden jungen Menschen, die ihn erschrocken anstarrten, entgegen. »Seht ihr es denn nicht? Die Linien!« Seine klauenähnliche Hand tippte gegen die Vorderseite. »Die Linien!« Als er erkannte, dass sie ihn nicht verstanden, nahm er Estra bei der Hand und stürmte zur Tür hinaus. »Folgt
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