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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Lichtung. Sie hatte ihren kleinen Hund mitgenommen und wollte ihn lehren, einen geworfenen Stock zu ihr zurückzubringen.
    Da geschah es, dass sie einen Ast über die Steine hinwegschleuderte. Der Hund rannte los, umrundete die Steine und kehrte mit einem Knochen zu dem Mädchen zurück. Dem Unterarmknochen eines kleinen Menschen!
    Drinje wusste nicht, was der Hund ihr gebracht hatte, und deswegen erschrak sie auch nicht davor. Stattdessen schalt sie ihn und warf einen neuen Ast.
    Der Hund verschwand hinter den Steinen und kehrte mit einem weiteren Knochen zurück. Dieses Mal war es ein Unterschenkel.
    Das Mädchen wunderte sich sehr über das seltsame Holz und zeigte es seinen Eltern, die voller Abscheu nachschauten, was sich sonst noch hinter den Steinen verbarg.
    Zu ihrem immensen Entsetzen entdeckten sie die Überreste von fünf Kindern, die grausamen Mördern in die Finger geraten sein mussten. Die Verbrecher hatten die Leichen dort verborgen. Rasch eilten die Eltern zusammen mit Drinje in die Stadt zurück, um von dem schrecklichen Fund zu berichten. Doch niemand vermisste einen Sohn oder eine Tochter, und so wurden die Gebeine der Unbekannten zermahlen und dem Wind übergeben.«
    Lorin schwieg. Zusammen mit dem, was er erlebt hatte, ergab die Geschichte einen völlig anderen Sinn.
    »Nein. Es waren keine Knochen von Kindern«, sagte er schaudernd.
    Fatjas Augen wurden groß. »Cereler?«
    »Die Steine sollen in der Vergangenheit schon öfter getötet haben?«, brach es aus Jarevrän hervor.
    »Diese Steine verschlingen Magie. Gibt man sie ihnen
    nicht freiwillig, nehmen sie sich die Macht mit Gewalt, und das endet für einen tödlich«, vermutete Lorin. Es beruhigte
    ihn, dass die einfachen Menschen vor der Gier der Steine anscheinend sicher waren, doch Gewissheit hatte er diesbezüglich keine. Vielleicht hätten sie seine Frau unter anderen Umständen getötet.
    »Ich beginne zu verstehen, warum irgendwann keiner mehr die Steine zum Klingen gebracht hat«, sagte Arnarvaten aufgeregt. »Dieses Geheimnis haben wir gelüftet. Aber was, Kalisstra, hast du uns vor die Stadttore gesetzt?«
    Lorin hob ratlos die Achseln. »Ich werde Rantsila Bescheid geben, dass wir gleich morgen in gebührendem Abstand einen Zaun um die Steine ziehen. Niemand soll ihnen zu nahe kommen, bevor wir ihr Rätsel nicht vollkommen entschlüsselt haben.«
    »Du wirst nicht wieder in die Nähe dieser Steine gehen, Lorin«, verlangte Jarevrän, und die Angst um das Wohl ihres Mannes brachte sie dazu, schärfer als gewöhnlich zu sprechen. Sie fasste ihn am Arm.
    »Hörst du? Geh nicht mehr zu
    ihnen!«
    Doch im Wald vor den Toren Bardhasdrondas schien mitten in der Nacht eine dunkelblaue Sonne aufzugehen und ihr Licht durch die Stämme der Bäume hindurch bis zu den Sternen zu senden. Sie bot den Menschen, die zum Himmel schauten, ein wundersames und zugleich beängstigendes Schauspiel, wie es noch keiner zuvor gesehen hatte.
    Lorin ahnte, was es bedeutete. Der Stein rief nach ihm. Er löste sanft Jarevräns Finger von seiner Jacke, lächelte sie an
    und küsste sie auf die Lippen. »Ich muss nachschaue auf der Lichtung vor sich geht. Wenn der Stadt Gefahr droht,
    bin ich vielleicht der Einzige, der sich ihr entgegenstellen kann.« Er schritt an ihr vorbei auf das Tor zu. Jarevrän schluckte ihre Entgegnung hinunter, weil sie einsah, dass nichts ihn abzuhalten vermochte.
    »Du könntest auch der Einzige sein, der stirbt«, raunte sie unglücklich, als er sie nicht mehr hören konnte. Fatja umschlang ihre Schulter und gab ihr stillen Trost.
    Lorin näherte sich der Lichtung und fühlte sich wie in einen seltsamen Traum versetzt. Alles um ihn herum war in das blaue Licht des Steins getaucht; die Bäume, das Laub, das Moos, jede Kleinigkeit im Wald erhielt eine neue Farbe und erschien völlig unwirklich. Gelegentlich raschelte es im Unterholz. Die vom Schimmern aufgeweckten Tiere flüchteten; Lorin sah sogar einen Schwarzwolf Reißaus nehmen.
    Kein gutes Zeichen, wenn ein heiliges Tier flieht. Er ging bis an den Rand des Platzes, hockte sich hin und beobachtete, was sich vor ihm ereignete. Inzwischen war die Helligkeit so stark geworden, dass es nicht möglich war, ungeschützt auf den Stein zu blicken.
    Als ob ich versuchte, in die Sonnen zu schauen. Schnell hielt er die Hand vor die Augen, um zwischen den Fingern hindurchzuspähen, und erschrak fürchterlich: Er konnte jeden einzelnen Knochen unter seiner Haut erkennen. Der Stein machte sie

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