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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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verlangen können«, vermutete einer seiner Begleiter. »Wir haben sie böse überrascht, nicht wahr?« Er zog sein Schwert und küsste die Blutrinne.
    »Mein Leben für Angor und den Tod meinen Feinden.« Die übrigen Ritter wiederholten den Eid. Der Großmeister folgte dem Ritual, obwohl ihm alles andere als zum Feiern zu Mute war. Dunkelheit hin oder her, die Hatz musste weitergehen. »Melik, reite zurück, hole zehn Knechte und genügend Fackeln«, befahl er. »Wir machen uns an die Verfolgung.«
    »In der Nacht? Ihr habt selbst gesagt, dass das Moor seine Tücken hat, Großmeister«, staunte Melik offen. »Es ist lediglich eine Proviantkiste gewesen. Lassen wir sie damit entkommen. Sie ist es nicht wert, dass deswegen einer von uns im Sumpf versinkt.«
    Bedächtig schüttelte Kaleiman den Kopf. »Nein, es war keine Proviantkiste.« Er stieg in den Sattel. »Für uns wird es keine Nachtruhe geben, Freunde. Wichtigeres als unser Schlaf verlangt, dass wir nicht eher aufgeben, bis wir die Räuber gestellt und ihnen ihre Beute abgenommen haben.«
    Das ernste Gesicht des Großmeisters sprach Bände. Und auch wenn er ihnen nicht sagen wollte oder durfte, was sie verloren hatten, es musste unter allen Umständen zurückerobert werden. Kontinent Kalisstron, Bardhasdronda, Spätsommer im Jahr 1 Ulldrael des Gerechten (460 n. S.) Der blaue Strahl wollte den Cereler gar nicht mehr loslassen.
    Der bedauernswerte Kalfaffel zappelte wie ein Fisch am Haken, seine Zähne schlugen rasend schnell aufeinander und zerhackten die Zunge, die immer wieder dazwischen geriet. Blut lief aus den Mundwinkeln.
    Lorin hob die Hand und schaute zwischen den Fingern hindurch auf den gleißend blauen Stein. Er hörte das tiefe, anhaltende Summen, das lauter und lauter wurde. Die Vibrationen brachten seine Gedärme zum Kribbeln.
    Die Menschen wichen vor ihrem in blauem Licht gefangenen Bürgermeister zurück. Niemand hatte ein Seil oder etwas Ähnliches dabei, um ihn aus dem mörderischen Strahl zu ziehen. Und ihn anzufassen wagte keiner.
    So sehr sich Lorin bemühte, den Stein mit seinen magischen Fertigkeiten zu kontrollieren, es ging nicht. Also musste er etwas anderes versuchen, um Kalfaffel zu retten. Er lief mit weit ausholenden Schritten auf den Cereler zu und stieß sich ab, um sich gegen ihn zu werfen und wegzuschleudern, da riss der Strahl ab, und das Brummen verebbte schlagartig. Lorin konnte sich nicht mehr abfangen. Er segelte durch die Luft, prallte gegen Kalfaffel und schleuderte ihn zur Seite. Gemeinsam rollten sie über das taufeuchte Gras und Moos der Lichtung. »Kalfaffel!«, rief er besorgt und stemmte sich auf die Knie, nahm den Cereler vorsichtig bei den Schultern und drehte ihn auf den Rücken. Er atmete nicht mehr. Lorin lauschte nach dem Herzen des kleinen Mannes. In der Brust blieb es still, es hatte aufgehört zu schlagen. »Nein! Kalisstra, sei gnädig und gewähre ihm Leben.« Lorin schob die Augenlider behutsam nach oben und sah an den ausdruckslosen Pupillen, dass sich die Seele vom Leib des Bürgermeisters getrennt hatte. Er war unwiderruflich von Vintera ins Reich des Todes gebracht worden. »Er ist tot«, rief er mit belegter Stimme. Er ahnte, was es für ihn selbst bedeutete. Sie würden erzählen, dass es seine Schuld gewesen war. Nicht sofort, aber bald.
    Noch sagte niemand etwas.
    Lorin erhob sich und nahm den leichten Cereler auf die Arme, trug ihn wie ein Kind von der Lichtung, durch den Wald bis zur Straße und auf ihr entlang zurück bis nach Bardhasdronda. Die Leute bildeten eine stumme Prozession, aus der gelegentlich ein Schluchzen erklang. Der Schrecken, der sie inmitten der Freude am Gesang der Steine getroffen hatte, lähmte ihre Zungen. Der Trauerzug passierte das Stadttor, und von dort breitete sich die Kunde vom Tod des Bürgermeisters schneller als der Lichtschein von aufgehenden Sonnen aus. Noch bevor Lorin Kalfaffels Haus erreichte, bildete sich eine Schar, die den Toten erwartete und den Verlust für Bardhasdronda leise beweinte. Wog das Elend noch so schwer, galten bei den Kalisstri große Gefühlsausbrüche als verpönt. Lorin brachte den Cereler ins Haus, legte ihn ins Bett und
    breitete ein Laken über ihm aus, während Kiurikka erschien,
    um die Totenzeremonie vorzubereiten.
    Er achtete genau darauf, ob die Priesterin, die anfangs keinen Hehl daraus gemacht hatte, dass sie ihn, Matuc und Fatja wegen ihres Ulldrael-Glaubens nicht leiden mochte, ihn mit vorwurfsvollen Blicken bedachte. Aber

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