Trügerischer Friede
Gläubigen schärfer geworden. Es gibt keinen besonnenen Menschen mehr, der die Hitzköpfe unter den Ulldrael-Priestern mäßigt und ihnen die wahren Wege des Gerechten in Erinnerung ruft.«
»Vielleicht tut uns der Stein einen Gefallen und bringt sie dazu, sich zu einigen.« Er küsste sie und ging mit ihr Arm in Arm die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. »Oder zumindest schenkt er ihnen die Einsicht, dass es ausschließlich ein friedliches Miteinander geben kann. Kalisstron benötigt keine Eiferer.« Er würde Rantsila dennoch bitten, die Lichtung räumen zu lassen. Die Gefahr war immer noch vorhanden.
Jarevran sah ihm an, wie aufgewühlt er war. Sie zog ihn an
sich und barg ihn in ihren Armen, gab ihm die Ruhe, die er
so dringend benötigte. Eng umschlungen lagen sie im Bett;
und Lorin schlief alsbald ein.
Ihr letzter Blick, bevor sie ins Reich der Träume glitt, wanderte zum Fenster Sie seufzte erleichtert, als sich kein blaues
Kontinent Ulldart, Königreich Tarpol, Hauptstadt Ulsai, Spätsommer im Jahr 1 Ulldrael des Gerechten (460 n. S.)
Es war eine kalte, regenreiche Nacht, in der die Bewohner Ulsars an den nahenden Herbst und an den schrecklich eisigen Winter dachten, während sie ihre Öfen befeuerten, sich heißen Tee mit einem großzügigen Schluck Branntwein gönnten und sich eine warme Decke suchten. Niemand ging vor die Tut wenn es nicht unbedingt notwendig war
Aus diesem Grund fiel die dunkle Gestalt, die durch die Straßen der Hauptstadt wie ein Spaziergänger wandelte und sich nicht an dem strömenden Regen störte, nur wenigen auf. Sie schritt da entlang, wo die Schatten am finstersten waren und kein Lichtstrahl auf das Gesicht in der Kapuze fallen konnte. Ihre Füße trugen sie zur Verlorenen Hoffnung, dem großen Verlies von Ulsar In dessen Zellen saßen diejenigen, die sich in der Zeit der Herrschaft von Govan Bardric durch ihre schrecklichen Verbrechen einen zweifelhaften Namen bei den Menschen gemacht hatten, und warteten auf ihre Bestrafung. Noch waren längst nicht alle gefangen genommen worden.
Die Gestalt schritt am Haupttor vorüber bog um die Ecke und schaute sich aufmerksam nach allen Seiten um, ehe sie einen Bund Dietriche zur Hand nahm und das Schloss der Nebenpforte bearbeitete. Mit einem Klicken ergab es sich.
Die Pforte führte in den Innenhof. Die Soldaten, die gewöhnlich Wache standen, um Eindringlinge aufzuhalten, hatten aus irgendeinem Grund ihren Posten verlassen. Die Gestalt huschte hinein und drückte sich an den hohen Mauern entlang bis zum Treppenhaus. Hier wählte sie die Stiegen nach unten, um sich in die Katakomben der Verlorenen Hoffnung zu begeben. Sie schritt durch die Korridore und störte sich nicht an dem Jammern, das gelegentlich hinter den Zellentüren erklang.
Die Unterkunft eines Verbrechers, der zum Tode verurteilt worden war, pflegten die Wärter mit einer Sichel zu markieren, dem Zeichen von Vintera, der Göttin des Todes. Genau vor einer solchen blieb die Gestalt stehen. Der Name Vanslufzinek stand unter dem Zeichen geschrieben. Behutsam öffnete die Gestalt die Guckklappe, um zu sehen, was der Gefangene tat. Er schlief. Sie schob den Riegel zurück und schlüpfte durch die einen Spaltbreit geöffnete Tür. Leise schlich sie neben das Strohlager, auf dem der Schlafende kauerte, zog den Hocker zu sich und setzte sich neben ihn. Die blauen Augen mit den schwarzen Einschlüssen richteten sich auf Vanslufzinek, der auf der Stelle unruhig wurde und sich hin und her wälzte. Er stammelte leise, redete, hob die Arme zur Abwehr, fuchtelte in der Luft, als wehrte er mehrere Gegner auf einmal ab. Dann bäumte er sich auf und schöpfte röchelnd nach Luft; die Finger gruben sich ins feuchte Stroh und verkrampften sich. Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus, und sein Kreuz bog sich immer weiter durch. Schließlich riss sie
keuchend die Augen auf und schaute sich um, entdeckte
seinen Besucher und wich mit einem leisen Schrei zurück.
»Vintera!«, flüsterte er.
»Nein«, antwortete ihm eine tiefe männliche Stimme, deren Klang Eiseskälte verbreitete. Vanslufzinek wagte einen genaueren Blick. Schlagartig verlor sein Gesicht den letzten Rest an Farbe.
»Ihr seid es! Dann stimmt es, was man sich hier erzählt . . Ihr, Lodrik Bardric, seid der leibhaftige Tod, der nachts durch die Gänge der Verlorenen Hoffnung streicht und ...« Er ächzte auf und hielt sich die Brust, wandte sein Gesicht ab, presste sich Schutz suchend gegen die Mauer und wimmerte
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