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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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aber sind Sie sicher, daß wir je nach Washington kommen?«
    »Meine Stimme haben Sie.«
    Sein Lachen klang tief und voll und so behaglich wie eine alte, oft benutzte Decke. »Prima, ich brauche jede Stimme, die ich bekommen kann.«
    »Wo ist Ihre kleine Tochter?«
    »Ich habe sie im Schwesternzimmer gelassen und hole sie gleich.«
    Die Schwester verstand diesen sanften Hinweis, lächelte Avery an und wünschte mit einem Augenzwinkern: »Viel Glück.«
    Sobald sie allein waren, kam Tate zu ihr. »Hallo, du siehst gut aus.« Er atmete tief aus. »Jetzt ist sie hier. Ich bin nicht sicher, wie es läuft. Sei nicht enttäuscht, wenn sie –«
    Er verstummte, während sein Blick kurz ihre Brüste streifte. Sie füllten das Oberteil von Caroles züchtigem Nachthemd nicht so ganz. Avery sah die Verwirrung auf seinem Gesicht, und ihr Herz schlug heftiger.
    »Carole?« fragte er mit belegter Stimme.
    Er wußte es!
    »Mein Gott.«
    Wie konnte sie es ihm erklären?
    »Du hast so viel Gewicht verloren«, flüsterte er. Zärtlich drückte er seine Hand seitlich an ihre Brust. Er betrachtete ihren Körper. Avery spürte, wie das Blut zu der Stelle strömte, wo seine Hand sie berührte. Ein kleines, hilfloses Geräusch drang aus ihrer Kehle.
    »Ich wollte nicht sagen, daß du schlecht aussiehst — nur ... anders. Es ist ja ganz normal, daß du ein paar Kilo abgenommen hast.« Ihre Blicke begegneten sich für ein paar Sekunden, dann zog er die Hand zurück. »Ich hole Mandy.«
    Avery atmete tief durch, um ihr verwirrtes Gemüt zu beruhigen. Bis zu diesem Moment war ihr noch nicht klar gewesen, wie erschütternd es für sie beide sein würde, wenn die Wahrheit ans Licht kam. Und sie war sich auch nicht bewußt gewesen, wie weit sich ihre Gefühle für ihn entwickelt hatten. Durch seine Berührung war ihr Inneres plötzlich genauso schwach geworden wie ihre Arme und Beine.
    Aber sie konnte es sich nicht leisten, ihren Gefühlen jetzt freien Lauf zu lassen. Also bemühte sie sich, ihre Fassung wiederzugewinnen. Sie schloß die Augen, weil sie sich vor dem Grauen fürchtete, das sich im Gesicht des Kindes abzeichnen würde, wenn es zum ersten Mal seine entstellte >Mutter< sah. Sie hörte, wie sie hereinkamen und sich dem Bett näherten.
    »Carole?«
    Langsam öffnete Avery die Augen. Tate hielt Mandy auf dem Arm. Sie trug eine weiße Schürze über einem blauweiß gemusterten Kleid. Ihre Beine und Füße steckten in weißen Strumpfhosen und blauen Lederschuhen. Ihr linker Arm war eingegipst.
    Ihr Haar war dicht und glänzend, aber nicht so lang, wie Avery es in Erinnerung hatte. Als könne Tate ihre Gedanken lesen, erklärte er: »Wir haben ihr die Haare etwas kürzer geschnitten, weil sie angesengt waren.« Jetzt reichten sie ihr bis zum Kinn. Ihre riesigen braunen Augen erinnerten an ein gefangenes Reh.
    Sie war ein schönes Kind, und doch wirkte sie unnatürlich teilnahmslos. Statt Angst oder Widerwillen oder Neugier zum Ausdruck zu bringen, was zu erwartende Reaktionen gewesen wären, blieb ihr Gesicht leer.
    »Gib Mami das Geschenk, das du ihr mitgebracht hast«, forderte Tate sie auf.
    In der rechten Faust hielt sie ein Sträußchen mit Gänseblümchen. Schüchtern streckte sie sie Avery entgegen. Als Averys Finger sie nicht greifen konnten, nahm Tate sie Mandy ab und legte sie sanft auf Averys Brust.
    »Ich setz’ dich hier aufs Bett und suche eine Vase, in die wir sie stellen können.« Tate setzte Mandy vorsichtig auf die Bettkante, aber als er weggehen wollte, wimmerte sie ängstlich und klammerte sich an die Aufschläge seiner Jacke.
    »Also gut«, sagte er, »dann eben nicht.« Er warf Avery ein mattes Lächeln zu und setzte sich zögernd hinter Mandy.
    »Das hier hat sie heute für dich gemalt«, sagte er zu Avery über Mandys Kopf hinweg und zog ein Stück Papier aus seiner Jakkentasche. Er faltete es auseinander und sagte: »Erkläre ihr, was das ist, Mandy.«
    Die bunten Kritzeleien hatten keine konkrete Form. Mandy flüsterte: »Pferde.«
    »Großvaters Pferde«, sagte Tate. »Er hat Mandy gestern mit zum Reiten genommen. Ich habe ihr heute morgen vorgeschlagen, etwas für dich zu malen, solange ich arbeite.«
    Avery hob die Hand und gab ihm ein Zeichen, daß er das Bild vor sich halten solle. Sie betrachtete es ausgiebig, dann legte er es auch auf ihre Brust, neben das Sträußchen.
    »Ich glaube, dein Bild gefällt Mami«, sagte Tate und sah Avery mit einem eigenartigen Ausdruck in den Augen an.
    Dem Kind war es

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