Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser
dürften es acht gewesen. Nach unserem besten Wissen existiert nur noch Dame mit einem Finken .“
„Woher weiß man, dass es mal acht gewesen sind?“ „Aufzeichnungen über Verkäufe, Tagebücher, Briefe. Die üblichen Quellen.“
„Und dass es jetzt nur noch ein Gemälde gibt, macht es dann umso wertvoller?“
„Das Gemälde stellt große Kunst dar. Es ist von unschätzbarem Wert.“
„Der sich umso schwerer einschätzen lässt, da es das einzige ist.“
Trachtman lächelte. „Gut ausgedrückt.“
„Lässt sich seine Geschichte nachvollziehen?“
„Gewiss. Ungefähr 200 Jahre lang verblieb es im Besitz der Familie Harmenszoon, dann wurde es von einer wohlhabenden jüdischen Familie namens Herzberg in Amsterdam erworben. Den Herzbergs gehörte es bis 1940, als Judah Herzberg und seine gesamte Familie von den Nazis verhaftet und nach Auschwitz geschickt wurden. Dabei wurde auch die umfangreiche und unbezahlbare Kunstsammlung der Familie beschlagnahmt. Nach dem Krieg wurden einige der Gemälde von einer eigens für die Raubkunst zuständigen Spezialeinheit der US-Army sichergestellt und der Herzberg-Familie zugeordnet. Aber die gesamte Familie ist in Auschwitz ausgelöscht worden, bis auf einen Sohn, Isaac, der bei der Ankunft im KZ ungefähr vierzehn Jahre alt gewesen sein muss. 1945 konnte niemand den mittlerweile Neunzehnjährigen ausfindig ma-chen. Er war in den Flüchtlingsströmen verschwunden, die Europa zu dieser Zeit durchzogen.“
„Was wurde aus den Bildern, als es niemanden gab, dem man sie zurückgeben konnte?“
„Sie wurden sozusagen zwischengelagert und an Museen abgegeben oder an private Sammler verkauft. Die Army hat sich dafür, dass es, na ja, eben Militärs waren, überraschend gut um sie gekümmert. Aber unausweichlich sind ein paar erneut verschwunden.“
„Haben Sie je von der Herzberg Foundation gehört?“ „Nein. Was ist das für eine Stiftung?“
„Bloß ein Name, der in einem Gespräch aufgetaucht ist. Wahrscheinlich ein zufälliges Zusammentreffen.“
„Wenn sie etwas mit der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts zu tun hätte, würde ich sie kennen.“
„Natürlich. Dann hatte das Hammond Museum das Gemälde von der Army?“
„Seit 1949, ja.“
„Und den jungen Herzberg hat man nie ausfindig machen können?“
„Es gab einige, die Ansprüche anmeldeten. Aber niemand ist in der Lage gewesen, seine Abstammung nachzuweisen.“
„Ist ja auch schwer, wenn die gesamte Familie ausgelöscht worden ist und man fünf Jahre in einem KZ verbracht hat.“
„Sehr schwer.“
Wir schwiegen einen Moment lang.
„Wann hat man zum letzten Mal von ihm gehört?“, fragte ich.
„Sein Name steht auf einer Liste überlebender Gefangener, die von den Russen aus Auschwitz befreit worden sind. Also 1945. Danach gibt es keine Hinweise mehr.“
„Also könnte er ein halbes Jahr später schon tot gewesen sein.“
„Wäre möglich.“
„Oder er könnte noch am Leben sein und sich in Sansibar niedergelassen haben.“
„Wäre möglich.“
Ich nickte. „Erzählen Sie mir alles über Ashton Prince, was Sie können.“
36
Eine Frau kam mit einem Tablett Kaffee und Keksen in Trachtmans Büro.
Er stellte sie mir vor. „Meine Assistentin, Ibby Moser. Sagen Sie ,Hallo‘ zu Mr. Spenser, Ibby.“
Sie sagte ,Hallo‘ und stellte das Tablett ab.
„Ibbys Kekse sind unglaublich“, sagte Trachtman. „Probieren Sie einen.“
Ich nahm einen und aß die Hälfte davon. Erdnussbutter. „Unglaublich.“
Wir lächelten alle, und Ibby ging.
„Ein nachmittägliches Ritual“, sagte Trachtman. „Jeden Tag. Ich weiß nie, welche Sorte Kekse es sein werden.“
„Nettes Ritual“, sagte ich. „Ashton Prince?“
„Ashton ist merkwürdig. Auf der einen Seite ist er ein erstklassiger Kenner des holländischen Realismus. Ein Experte.“
„Ein ebensolcher Experte wie Sie?“
„Seine Sachkenntnis ist vielleicht nicht so breit gefächert. Ich habe eher etwas von einem Generalisten. Aber auf seinem Spezialgebiet ist er versiert. Er ist … oder war, sollte ich wohl sagen … die größte Autorität in Sachen Frans Harmenszoon und übertrifft mich bei weitem.“
„Es ist egal, welche Zeitform Sie benutzen. Wir wissen beide, dass er tot ist.“
Trachtman lächelte. „Ich drücke mich gern präzise aus. Außerdem hatte er merkwürdigerweise noch ein Spezialgebiet, das quasi Hand in Hand damit ging … Er wurde von niemandem übertroffen, wenn es um die Identifikation
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