Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser
war ein Kinderspiel schwierig. Ich holte einen kleinen Spachtel aus der Sporttasche und schob die flexible Klinge in den Spalt. Ich brauchte keine Minute, um die Hebefalle zurückzuschieben und die Tür zu öffnen. Ich tat die Taschenlampe und den Spachtel zurück in die Sporttasche, machte sie zu und stellte sie gleich hinter der Tür ins Haus. Ich zog meine Jacke aus und hängte sie innen an den Türknauf. Spenser, Einbrecherkönig. Fachmann für unbefugtes Eindringen.
Wenn im Kino jemand eine Wohnung durchsucht, sieht es dort immer aus wie in einem Ausstellungsraum der Möbelabteilung von Bloomingdale’s. Im wahren Arbeitsleben eines Detektivs ist das manchmal anders. Rosalinds Haus war voller Staub. Im Wohnzimmer lag ein fadenscheiniger Teppich, die Möbel waren billig und manche Polster durchgesessen. In der Spüle stand schmutziges Geschirr. Im Schlafzimmer war das Bett nicht gemacht und auf dem Boden lagen jede Menge Kleidungsstücke.
Ich hatte schon Schlimmeres gesehen. War ja nicht die erste Wohnung, die ich durchsuchte.
Ich war schon eine ganze Weile dort zugange, als ich zu dem Raum kam, der Princes Arbeitszimmer gewesen sein musste. Es wirkte so, als ob es schon eine Weile nicht mehr benutzt worden war. Die Möbel mussten mal in Schuss gebracht werden, und überall lag Staub. Aber es herrschte Ordnung. Princes Schreibtisch war tadellos. Rechts davon hing ein großes Gemälde, Dame mit einem Finken , in einem schwarzen Standardrahmen. Ich ging dorthin und sah es mir an. Es musste eine Kopie sein, aber Leuchtkraft besaß es trotzdem. Die Dame und der Vogel waren praktisch mit Händen zu greifen. Die nachempfundene Oberfläche des Lebens, dachte ich.
Auf dem Tisch stand ein Laptop, mit geschlossenem Deckel. Um den brauchte ich mich nicht zu kümmern. Den hatten Healys Leute nach Princes Tod sicher unter die Lupe genommen. Ich konnte Healy danach fragen. Außerdem war es ein anderer, als ich hatte, und ich wusste nicht genau, ob ich damit klarkam.
Bei Princes Tischkalender war der Monat aufgeschlagen, in dem er gestorben war, mit Eintragungen für Verabredungen, die er nie eingehalten hatte, lange nach seinem Tod. Die Kluft zwischen der optimistischen Annahme, dass er noch da sein würde, um diese Verabredungen einzuhalten, und der Tatsache, dass dem nicht so war, konnte einen traurig machen.
Ich ging den Tischkalender durch. Die Mühe lohnte sich nicht. Ich begriff, was „morgens Anzug abholen“ bedeutete. Aber es interessierte mich nicht. Über dem Schreibtisch hing eine Pinnwand. Es waren verschiedene Zettel daran festgemacht. Manche betrafen Professorenkram, Namen von Artikeln, Ausschnitte aus Zeitschriften, von denen ich noch nie gehört hatte, und auf der Rückseite eines halben Briefumschlags stand der Name „Herzberg“. Zusammen mit einer Telefonnummer. Ich steckte den Zettel in meine Hemdtasche.
Ich brauchte zwei weitere Stunden, bis ich mit dem Haus durch war. Bevor ich ging, drehte ich noch mal eine Runde. Irgendetwas knapp außerhalb meiner Wahrnehmung ließ mich nicht los. Schließlich stand ich in der Tür von Princes Büro und ließ langsam meinen Blick durch den Raum schweifen. Eine komplette Wand war voller Bücher, in einem Regal mit durchhängenden Böden. Das Fenster an der Wand gegenüber lag zum winterkahlen Hintergarten hin. Das Gemälde von Harmenszoon hing immer noch da an der Wand, und nun wurde mir klar, was mich beschäftigt hatte. Außer der Kopie von Dame mit einem Finken gab es nirgendwo Bilder. Im Haus eines Mannes, der offensichtlich sein ganzes Erwachsenenleben dem Studium und der Würdigung von Gemälden gewidmet hatte, gab es nur ein einziges. Die Harmenszoon-Kopie.
Es war noch lange kein Heureka-Moment. Aber es war merkwürdig.
43
Ich kehrte in mein Büro zurück und rief die Nummer an, die ich an Princes Pinnwand gefunden hatte. Ein Anrufbeantworter ging ran. Eine Frauenstimme.
„Hier ist die Herzberg Foundation. Wir können Ihren Anruf nicht entgegennehmen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton.“
„Kurz und bündig“, sagte ich laut.
Nichts in meinem Büro antwortete.
Den Nachmittag über rief ich die Nummer stündlich an und bekam immer dieselbe Nachricht. Also machte ich um zwanzig vor sieben das Licht aus, schloss das Büro ab und ging mit gezogener Waffe, die Hand unverdächtig am Oberschenkel, zu der Gasse runter, wo ich geparkt hatte. In der Tür blieb ich stehen. Holte mit der linken Hand die Autoschlüssel raus, streckte
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