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Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser

Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser

Titel: Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert B. Parker
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damit?“
    „Beschissen geht’s einem damit. Ich meine, sechzehn Jahre lang hat meine Mutter mir eiskalt vorgemacht, er wäre tot. Dabei hat er sogar Geld geschickt, ja? Wissen Sie, dass die beiden nie geheiratet haben?“
    „Hat sie Ihnen erzählt, sie wären verheiratet gewesen?“ „Ja, und dass er gestorben wäre, nachdem sie mit mir schwanger geworden ist. In Wirklichkeit hat sie mit einem Kerl rumgemacht, der überhaupt nicht vorhatte, sie zu heiraten, und nachdem er ihr ein Kind gemacht hat, ist er abgehauen.“
    „War damals bestimmt hart für Ihre Mutter“, sagte ich. „Wollte sie etwa, dass er sie heiratet? Da lach ich aber. Er hat sie nicht geliebt. Er wollte bloß ein bisschen Spaß haben, verstehen Sie?“
    „Aber er ist zurückgekommen.“
    „Er ist wegen mir zurückgekommen. Er hat gesagt, dass er das schon immer wollte, aber dass sie ihn nicht gelassen hat.“
    „Warum, denken Sie, hat sie es nicht zugelassen?“
    „Aus Eifersucht. Sie wusste, wenn er mit zu meinem Leben gehört, werde ich ihn auch lieb haben, und das wollte sie nicht.“
    „Donnerwetter. Ganz schön mies von ihr, hm?“
    Nichts war besser, als ein bisschen Zwietracht zu säen, wenn man an Informationen rankommen wollte.
    „Voll finster. Aber Daddy ist toll. Er hat mich an die Walford gebracht. Und er hat mich Ashton vorgestellt, Professor Prince; das war toll von ihm.“
    „Und die Studiengebühren, wer bezahlt die?“
    „Sie. Sie kann es sich leisten; sie hatte schon was dafür zur Seite gelegt. Außerdem hat sie einen guten Job.“
    „Ja. Ich kann mir vorstellen, dass die Stiftung nicht so viel zahlt.“
    „Himmel, nein. Daddy ist nicht an Geld interessiert.“ „Was macht die Stiftung denn so?“
    Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ihr Gesicht war wie ein offenes Buch: In dieser Richtung wird’s gefährlich. „Das weiß ich nicht.“
    „Das überrascht mich jetzt. Wo Sie einander so nahe stehen.“
    „Er hat mich lieb, und ich habe ihn lieb. Mehr muss niemand wissen.“
    „Außer mir. Ich muss mehr wissen.“ „Tja, ich werde Ihnen nichts erzählen.“
    Sie fing an zu weinen, stand plötzlich auf und ging davon, rannte fast. In meiner Branche ist Charme nie verkehrt.

56
    Die Füße auf dem Schreibtisch und den Globe aufgeschlagen, rief ich Susan an. „Ich sehe grad in der Zeitung, dass es in einer Kirche in Cambridge einen Abend der Poesie gibt.“
    „Ist ja toll“, sagte Susan.
    „Unter anderem tritt dort Rosalind Wellington auf.“
    „Im Ernst?“
    „Weißt du noch, wer Rosalind Wellington ist?“
    „Nein.“
    „Die Frau von Ashton Prince.“
    „Ach so.“
    „Und? Willst du?“
    „Will ich was?“
    „Hingehen, dir ihre Gedichte anhören.“
    „Meinst du, sie taugt was? Oder irgendwer von den anderen, die da lesen?“
    „Nein. Natürlich nicht. Es wird schrecklich.“
    „Hui. Sehr überzeugend.“
    „Und? Willst du hingehen?“
    „Nein. Aber ich will wissen, warum du hingehen willst.“ „Weißt du noch, wie du dir Princes Dissertation besorgt und sie gelesen hast?“
    „Ja. Ein Akt geradezu atemberaubender Selbstaufopferung, wenn ich das so sagen darf.“
    „Wir haben viel daraus gelernt.“
    „Gern geschehen.“
    „Ich dachte, vielleicht lerne ich auch was aus ihren Gedichten.“
    Susan schwieg einen Moment. Dann sagte sie: „Könnte sein. Eines lässt sich über solche Dichter mit ziemlicher Sicherheit sagen; ihre Gedichte handeln von der tiefen Angst, sie selbst zu sein. Es wird schrecklich werden, aber vielleicht lässt sie dabei tatsächlich irgendwas Nützliches durchblicken.“
    „Ich gehe jedenfalls hin.“
    „Du wirst dich dem ohne mich stellen müssen. Ich bekomme jeden Tag genug innere Ängste serviert, fünfzig Minuten pro Stunde.“
    „Alles klar.“
    „Aber ich bewundere natürlich deine innere Stärke.“
    Die bewunderte ich auch. Der Abend begann um sieben; ich war um viertel vor dort. Der Saal war kahl, mit gelb gestrichenen Betonwänden. Der Boden sah aus, als wäre er besser noch mal gewischt worden. Um einen Tisch aus Ahornholz mit einem Pult darauf standen ungefähr fünfzig Klappstühle, auf die sich vielleicht fünfzehn Leute verteilten. Die Beleuchtung kam von oben und war grell. Es war zu warm in dem Raum.
    Ich zog meine Jacke aus und setzte mich. Falls jemand die Waffe an meiner Hüfte bemerkt hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Die Leute waren wahrscheinlich zu sehr mit dem Leben in der Imagination beschäftigt. Mit Eleganz war der

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