Trügerisches Spiel (German Edition)
konnte er nachvollziehen, wie es seinem Bruder Shane gegangen war, als ihn der irre Exfreund seiner Frau Autumn angeschossen hatte. Nur dass sein sonst so friedliebender Bruder trotz der Verletzung gegen den Mistkerl gekämpft und sich nicht wie ein Feigling hinter einem Baum versteckt hatte. Jay schnitt eine Grimasse. Wenn das seine Brüder erfuhren, würde er wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit ihren Spott ertragen müssen. Der harte Detective, der noch nicht mal eine kleine Fleischwunde ertragen konnte.
Jay schüttelte den Kopf, um die Bewusstlosigkeit zurückzudrängen. Nein, wenn seine Familie erfuhr, dass er verletzt war, würden sie ins nächste Flugzeug springen und hierhereilen. Und das wollte er erst recht nicht. Eine Sirene heulte los, dicht gefolgt von einer zweiten. Endlich, die Kavallerie! Als er ein Scheppern hörte, wagte Jay einen Blick auf das umzäunte Gelände. Über das lange Flachdach lief ein Mann, der Lauf eines Gewehrs ragte aus seiner Sporttasche. Ohne darüber nachzudenken, rannte Jay los. Es war nicht einfach mit einem verletzten Knöchel und einer Schusswunde in der Schulter, aber nach einigen Metern fand er einen Rhythmus, der es ihm ermöglichte, vorwärtszukommen.
Zumindest musste er versuchen, den Mistkerl zu erwischen, bevor er in den Straßen San Franciscos untertauchte. Er wollte endlich Antworten haben, denn je mehr Zeit verging, desto mysteriöser wurde die Sache. Jays Atem kam keuchend, als er endlich auf die Straße taumelte. Der Verbrecher war in Richtung Stadt über das Dach gelaufen, also musste er am anderen Ende des Grundstücks herauskommen. Jay biss die Zähne gegen den Schmerz zusammen und lief wieder los. Von hier aus konnte er den Mann nicht mehr sehen, deshalb wechselte er auf die andere Straßenseite. Über dem Rauschen in seinen Ohren und seinen eigenen Atemzügen konnte er kaum etwas hören. Es wäre sowieso jedes Geräusch im Lärm der Sirenen untergegangen, die jetzt deutlich näher klangen.
Ihm war egal, wer den Kerl schnappte, solange er danach die Gelegenheit hatte, ihn zu befragen. Jay holte das Letzte aus sich heraus, aber als er am Ende des Grundstücks ankam, war keine Spur von dem Schützen zu entdecken.
»Verdammt!« Jay blieb mitten auf der Straße stehen, stützte die Hände auf die Knie und rang um Atem. Entweder war der Mann sehr schnell gewesen oder er hatte sich irgendwo auf dem Grundstück verkrochen. Sie würden es genau untersuchen müssen … Das Aufheulen eines Motors ließ Jay herumwirbeln. Ein Geländewagen schoss direkt auf ihn zu. Jay gelang ein kurzer Blick auf den Mörder, nach einer Schrecksekunde warf er sich zur Seite. Er entkam der Motorhaube um Haaresbreite, doch sein Kopf schlug heftig auf den Asphalt. Hart kam er auf der Straße auf und rollte in Richtung Bordsteinkante. Bevor er sich vergewissern konnte, ob noch alles heil war, verlor er das Bewusstsein.
Jocelyn joggte über den weichen Rasen und genoss es, endlich einmal wieder an der frischen Luft trainieren zu können. Ein Jahr war es her, seit sie zuletzt ihrer Leidenschaft hatte nachgehen können. Während des Prozesses und auch hinterher in Mitchell war sie gezwungen gewesen, nur in Gebäuden zu trainieren. Doch hier war sie frei, der Wind kühlte ihren erhitzten Körper, während die Abendsonne die Landschaft verzauberte. Am liebsten wäre sie eine viel größere Runde gelaufen, doch es war sicherer, in der Nähe des Hauses zu bleiben. Außerdem mussten sich ihre Muskeln erst wieder an die Bewegung gewöhnen. Ein Lächeln überzog trotz der leichten Schmerzen ihr Gesicht. Jay wusste gar nicht, was er ihr geschenkt hatte, indem er sie hierherbrachte.
Der Gedanke an Jay trübte ihre Laune etwas. Sie wünschte, er wäre auch hier und könnte die Ruhe und den Frieden genießen. An seinem Blick hatte sie erkannt, wie sehr er die Ranch und die Landschaft vermisste. Doch statt mit ihr zu joggen, begab er sich ihretwegen in Gefahr. Jocelyn wurde langsamer. Vielleicht sollte sie …
»Hallo, brauchen Sie einen Joggingpartner?«
Erschrocken drehte Jocelyn sich zu der Stimme um und atmete auf, als sie Red erkannte. Nach ihrer ersten Begegnung hatte sie George nach ihm gefragt, und der hatte ihr bestätigt, dass Red tatsächlich ein Bekannter von Clint und noch dazu Militärangehöriger war. Ihr Blick glitt zu seinem Bein, um das ein fester Verband gewickelt war. »Dürfen Sie denn damit laufen?«
Red stieß ein humorloses Lachen aus. »Ich muss es sogar, sonst erreiche ich
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