Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
Vom Netzwerk:
beiden Fällen finden wir die Toten zwischen Trümmern. Nackt. In einem zerbombten, früher eher einfachen Wohnviertel«, wirft Maschke ein, der interessiert zu ihnen getreten ist. »Vielleicht kennt sich der Täter dort aus.«
    Stave nickt. »Ja, aber einmal im Osten der Stadt und einmal im Westen. Die Fundorte liegen mehr als zehn Kilometer auseinander. Hat der Täter früher mal in Eilbek, mal in Eimsbüttel gewohnt? Möglich. Möglich aber auch, dass er sich diese zertrümmerten Stadtteile nur aussucht, weil er dort vor Zeugen relativ sicher ist. Möglich sogar, dass er seine Opfer an einem ganz anderen Ort getötet hat und deren Körper nur jeweils auf solchen Ruinenfeldern ablegt, wo ihn niemand stört.«
    »Sind Spazierstock, Knopf, abgerissenes Medaillon und Lederriemen nicht Indizien dafür, dass zumindest der Mann an Ort und Stelle ausgeraubt worden ist?«, fragt MacDonald.
    »Indizien ja«, erwidert Stave, »aber leider keine Beweise. Sie können zufällig neben dem Körper gelegen haben. Diese Trümmerviertel sind voller verstreuter Habseligkeiten. Aber Sie haben recht: Diese Dinge könnten Spuren sein, vielleicht wird jemand sie identifizieren. Ich werde Bilder des Medaillons machen lassen. Soll sich Polizeiinspektor Müller mal dransetzen – vielleicht findet er heraus, was es mit dem Kreuz und den beiden Dolchen auf sich hat.«
    »Und ich«, verkündet Maschke mit ergebener Miene, »melde mich freiwillig dazu, wieder Dutzende von Weißkitteln abzuklappern. Nämlich alle Zahnärzte, die wir kriegen können. Kann es kaum erwarten, denen Fotos des Toten unter die Nase zu halten und sie zu fragen, ob sie ihm mal ein Gebiss verpasst haben.«
    »Gute Idee«, lobt Stave und lächelt müde. Dann wendet er sich an einen der Schupos. »Jetzt will ich erst einmal mit dem Zeugen sprechen, der den Toten gefunden hat.«
    »Eine Zeugin, Herr Oberinspektor. Eine Plünderin.«
    Der Schupo führt eine verhüllte Gestalt heran, die bislang hinter einem Schutthaufen verborgen gewartet hatte – unter Bewachung. Denn ein weiterer Beamter, den Stave zuvor ebenfalls noch nicht bemerkt hatte, folgt direkt hinter ihr. Stave blickt die Frau an, als sie in den Lichtkreis neben der Leiche tritt: schlank, fast so groß wie er. Sie schlägt die Kapuze eines schweren, englischen Wollmantels zurück, der vor Jahren sicher einmal sehr teuer gewesen war, nun jedoch so zerschlissen wirkt, als könne man ihn mit zwei Fingern zerreißen. Stave blickt in ein schmales Gesicht, leicht mandelförmige, dunkle Augen, lange, schwarze Haare. Anfang dreißig, schätzt er, und früher einmal wohlhabend. Keine Arbeitshände.
    »Wie heißen Sie?«, fragt er.
    »Anna von Veckinhausen.«
    Leise Stimme, denkt Stave. Aber getränkt mit dem Selbstbewusstsein, das nur seit der Kindheit genossener Reichtum und Status geben können. Jedoch, so wie eine falsch spielende Violine in einem großen Orchester, mit einem Missklang von Nervosität darin. Oder Angst.
    »Sie haben den Toten gefunden?«
    »Ja.«
    Stave räuspert sich. Er spürt, wie ihn Maschke, der Arzt, MacDonald und die Schupos anstarren. Kann ja ein zähes Verhör werden, denkt er.
    Er beschließt freundlich zu sein. Stellt sich vor, geht wie zufällig einen Schritt nach vorne, sie folgt ihm unwillkürlich, sodass sie sich um eine Winzigkeit von den anderen Beamten entfernen.
    »Erzählen Sie mir, was geschehen ist«, fordert er sie auf.
    Anna von Veckinhausen zögert kurz. Sie überlegt sich genau, was sie mir jetzt sagt, denkt der Oberinspektor und wartet.
    »Ich war auf der Collaustraße und bin von dort auf den Trampelpfad zwischen den Trümmern gegangen, weil ich zur Lappenbergsallee wollte. Eine Abkürzung.«
    Stave holt umständlich seinen Notizblock aus der Tasche. Er schindet damit Zeit – Zeit für die Zeugin, sich ihre Geschichte noch einmal zu überlegen. Zeit für sich selbst, um nachzudenken. Eine Plünderin, hat einer der Schupos gesagt. Es ist für die Polizisten schwierig, Gestalten in den Trümmergeländen einzuschätzen. Ehemalige Anwohner, die ihre Habe suchen? Bauarbeiter, die in öffentlichem Auftrag einsturzgefährdete Wände niederreißen oder wertvolles Metall bergen? Passanten, die nur eine Abkürzung gehen? Oder Plünderer, die Holz, Metall, Möbel, die irgendetwas Brauchbares zusammenklauben? Fast jeder Hamburger hat schon Brauchbares »organisiert« – Stave muss nur an das Holz denken, das er in seiner Brennhexe verfeuert. Doch wer erwischt wird, kommt vor ein

Weitere Kostenlose Bücher