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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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drauf. Kontaktieren Sie die Dienststellen aller Großstädte, auch der im Osten. Ich will, dass unsere Plakate diesmal sogar in der Sowjetzone hängen!«
    Alle zucken zusammen, als im Vorzimmer ein Telefon klingelt. Erna Berg eilt hinaus, spricht kurz, legt dann wieder auf.
    »Die Polizeibeamten aus Lübeck«, ruft sie dem Oberinspektor zu. »Die Mutter des Schiffswächters bestätigt, dass ihr Sohn sie während der vergangenen zwei Wochen besucht hat. Und ein Nachbar der Mutter hat ihn auch gesehen.«
    »Das wäre auch zu einfach gewesen«, erwidert Stave und streicht eine Notiz auf seinem Block durch.
    »Und nun?«, fragt MacDonald.
    »Wir arbeiten an drei Hypothesen weiter«, fährt Stave fort. »Wenn wir es mit einem Mörder zu tun haben, der Menschen zwischen Trümmern überfällt, um sie auszuplündern, dann wird früher oder später auf dem Schwarzmarkt ein Objekt auftauchen, das wir einem der Toten zuordnen können. Vielleicht wird auch jemand in einer Ruine endlich einen Verdächtigen sehen. Oder irgendein Schieber oder Lude wird ein Gerücht hören. Möglich, dass wir in den nächsten Tagen wenigstens ein Opfer identifizieren können. Schließlich ist es auch nicht undenkbar, dass wir den Kerl gar auf frischer Tat ertappen werden. Irgendwann kriegen wir ihn.
    Hypothese zwei: Ein Wahnsinniger schlägt zu und signiert seine Opfer mit diesem seltsamen Medaillon. Irgendwelche Ideen, wie wir ihm auf die Spur kommen könnten?«
    »Wir müssen unbedingt herausfinden, was das Kreuz mit den Dolchen bedeutet«, antwortet Doktor Czrisini.
    »Wenn es ein Wahnsinniger ist, dann wird er nicht aufhören zu morden. Wir werden ihn über kurz oder lang stellen«, sagt Maschke hoffnungsvoll.
    »Irgendjemand wird ihn stellen«, erwidert Stave, »fragt sich bloß, ob wir das dann noch sind – oder unsere Nachfolger auf diesem Posten.« Schnell verscheucht er den Anflug von Pessimismus jedoch wieder und richtet sich auf. »Hypothese drei: Jemand hat eine Familie ausgelöscht. In dem Fall gibt es vielleicht keine weiteren Opfer mehr, keine Objekte, keine Zeugen. Oder wir finden noch Tote, doch die sind schon zum gleichen Zeitpunkt umgekommen. Dann suchen wir nicht nach einem Menschen, der spurlos verschwunden ist – sondern nach einer Familie, die offenbar niemand als vermisst meldet.«
    »Flüchtlinge aus dem Osten. Oder Displaced Persons«, murmelt MacDonald.
    »Nehmen wir uns zunächst das Kind vor«, ordnet Stave an. »Vielleicht haben wir bei dem Mädchen mehr Glück als bei den beiden anderen. Vielleicht gibt es Helfer, die sie erkennen, Spielkameradinnen, Lehrer. Die Kleine muss doch irgendwo zur Schule gegangen sein. Klappern wir die Schulen und Heime ab, die sich besonders um Kinder von Flüchtlingen und DPs kümmern.«
    Wieder läutet das Telefon. Stave, der manchmal tagelang keine Anrufe bekommt, blickt verärgert zu dem schwarzen Gerät hinüber. Seine Sekretärin nickt, spricht höflich, seufzt, legt auf.
    »Vom Chefamt S«, verkündet sie. »Sie haben Fahnder in Zivil auf alle Schwarzmärkte geschickt. Bislang hat noch niemand einen Spencer gefunden. Aber sie versprechen, ihre Augen weiter offen zu halten.«
    »Gut«, erwidert Stave, obwohl er sich in diesem Augenblick plötzlich seltsam sicher ist, dass niemals auffällige Kleidungsstücke auf dem Schwarzmarkt auftauchen werden. Da vernichtet jemand systematisch alle Spuren, denkt er.
    »Ich kümmere mich dann mal um die Plakate«, murmelt Maschke und verschwindet.
    »Ich habe eine Verabredung in der Pathologie«, verkündet Doktor Czrisini, »die Leiche müsste inzwischen aufgetaut sein. Auch wenn ich nicht glaube, dass mir die Untersuchung des Mädchens noch etwas verrät, das ich bislang nicht wusste.« Er verabschiedet sich mit einer angedeuteten Verbeugung.
    »Gehen Sie ruhig nach Hause«, sagt Stave zu MacDonald und Erna Berg. »Hier wird heute nicht mehr viel passieren.« Er blickt den beiden nach, bis sich die Tür zum Vorzimmer hinter ihren Rücken schließt.
    Stave setzt sich an seinen Schreibtisch und zieht einen schmutziggrünen, leeren Ablagehefter aus einer Schublade. Langsam tippt er den ersten, vorläufigen Bericht, hält Uhrzeit, Fundort, Name der Zeugen, hält all die kleinen Details der Toten fest, die ihm aufgefallen sind. Dann heftet er den Rapport ab. Zwei maschinengeschriebene, gelbliche Blätter Papier. Was wird noch folgen? Ein Polizeifoto der Toten. Der Obduktionsbericht von Doktor Czrisini. Und dann? Ist das alles, was von einem Leben

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