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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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unbewusst nervös gemacht. Deshalb habe ich mich so erschreckt, obwohl ich doch die Gestalt kaum sehen konnte.«
    Stave schließt kurz die Augen und denkt nach. Anna von Veckinhausen ist ein bisschen spät in den Trümmern unterwegs gewesen. Es dämmert schon: schlechtes Licht, man sieht sehr wenig. Andererseits wird man auch nicht gesehen. Vielleicht ist das die beste Stunde für Plünderer, gerade noch hell genug, um mit geschultem Auge etwas zu sehen, und doch schon so dunkel, dass man nicht auffällt.
    Sie sieht den Mörder, zumindest einen Schemen. Dann findet sie die Leiche. Sie meldet nichts bei der Polizei – vielleicht, weil sie es, wie sie behauptet, nicht wagt. Vielleicht auch, weil sie unangenehme Fragen nach ihren Plünderungen vermeiden will.
    Er glaubt ihre Geschichte. Alles passt zusammen. Wenn diese Gestalt der Mörder gewesen ist, dann muss Anna von Veckinhausen erst nach dem Verbrechen in die Nähe des Tatorts gekommen sein. Der Alte war schon tot, wahrscheinlich auch schon nackt. Also war der alte Mann noch bei Tageslicht unterwegs, vielleicht tatsächlich auf dem Trampelpfad zwischen den Ruinen. Oder er wurde anderswo getötet und vom Mörder dort hingebracht. Aber würde ein Täter so etwas wagen, bevor es dunkel geworden ist?
    »Hat der Unbekannte Sie gesehen?«
    Sie zögert, wieder legt sie den Arm vor den Körper. »Ich versteckte mich schnell. Ich warf mich in Deckung, würde ein Soldat wohl dazu sagen. Und ich hatte den Eindruck, als würde diese Gestalt genau das Gleiche tun. Aber sicher bin ich mir nicht.«
    Scheiße, denkt Stave. Wenn das stimmt, dann ist Anna von Veckinhausen nicht nur die einzige Zeugin des Verbrechens. Dann weiß der Mörder auch, dass es eine Zeugin gibt.
    »Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
    Sie denkt nach. »Ein Geruch«, sagt sie schließlich. »In dieser eisigen Luft atmet man ja nicht tief ein, doch trotzdem bin ich mir sicher, dass es zwischen den Ruinen nach Tabak roch.«
    »Der Unbekannte rauchte?«
    »Nein, zumindest sah ich keine Zigarette, keine Glut. Es roch einfach nach Tabak. Es war in der Luft. Und später wieder weg.«
    Eine Ladung Zigaretten, denkt Stave. Hatte der Alte Zigaretten dabei und ist deshalb umgebracht worden? Raubmord? Vielleicht doch Schwarzmarkt-Geschäfte?
    »Ich werde Ihre Aussage tippen. Warten Sie bitte so lange im Vorzimmer, dann können Sie den Text noch einmal lesen und unterschreiben, falls Sie nichts mehr zu ändern oder zu ergänzen haben.«
    Sie nickt, erhebt sich, zögert. »Und meine Plünderungen? Muss das in die Aussage hinein?«
    Stave erlaubt sich ein Lächeln. »Belassen wir es dabei, dass Sie über den Trampelpfad gingen.«
    Er bringt sie bis zur Tür, weist ihr im Vorzimmer einen Stuhl zu, ignoriert die neugierigen Blicke von Erna Berg. Dann tippt er die Aussage eigenhändig in die Maschine, zerrt das Blatt Papier heraus und liest sich den Text noch einmal durch. Viel ist es nicht – keine Zeugenaussage, mit der man jemanden auf das Schafott bringen könnte. Aber das weiß der Mörder nicht.
    Ich habe einen Köder, denkt Stave und empfindet dabei schon ein schlechtes Gewissen. Denn er wird den Journalisten anrufen und ihm diese Entwicklung stecken. Selbstverständlich keine Namen, kein Detail über Wohnort oder Alter, nur dies: Die Kripo hat eine Zeugin. Das sollte den Täter nervös machen – vielleicht begeht er dann einen Fehler.
    Er greift zum Hörer, lässt sich von der Zentrale mit der Redaktion der Zeit verbinden. Dort fragt er die Telefonistin nach Kleensch. Knacken in der Leitung. Endlose Sekunden. Mach schon, denkt Stave.
    Endlich ist Kleensch am Apparat.
    »Es gibt eine neue Entwicklung in Sachen Trümmermörder.«
    »Smalltalk ist nicht Ihre Sache, Herr Oberinspektor«, erwidert der Journalist und lacht so laut, dass es in der Leitung scheppert.
    Aber Stave hört etwas in der Stimme des anderen heraus, etwas, das er nur zu gut nachfühlen kann: Jagdfieber. Er stellt ihn sich vor, wie er hastig Bleistift und Notizblock heranzerrt, begierig auf eine Geschichte.
    »Es handelt sich wahrscheinlich um einen Einzeltäter. Eine Zeugin hat eine Gestalt am Fundort beobachtet. In einem langen Mantel, Kopf verhüllt. Weitere Einzelheiten werden vielleicht folgen.«
    »An welchem Tatort wurde diese Gestalt gesehen?«
    Stave zögert. Gefährdet er Anna von Veckinhausen, wenn er diese Information preisgibt? Andererseits: Besteht nicht die Möglichkeit, dass der Täter gerade an diesen Fundort zurückkehrt, um

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