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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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groß.« Er stutzt, schneidet mit dem Skalpell Gewebe weg, das Stave keinem Organ zuordnen kann.
    »Da«, sagt der Pathologe und deutet auf etwas Rotes im Eierstock, das der Oberinspektor nicht erkennt. »Körper im Eierstock. Völlig durchblutet, etwa kirschgroß.«
    Stave wird zum ersten Mal flau im Magen. »Ein Embryo?«, keucht er.
    »Nein. Eine Geschwulst«, antwortet Czrisini.
    »Krebs?«
    »Ob gut- oder bösartig, das kann ich so nicht sagen. Ist ja jetzt auch gleichgültig, oder?«
    Der Oberinspektor hat sich wieder gefangen. »Könnte die Frau Kinder gehabt haben?«
    Der Pathologe starrt lange auf den geöffneten, halb geleerten Unterleib der Toten. Auf die herausgenommenen Organe, die in stählernen Wannen liegen. Dann schüttelt er den Kopf.
    »Das glaube ich nicht. Die Frau hat Verwachsungen und Wucherungen im Unterleib, offenbar schon ziemlich lange. Wahrscheinlich sind deshalb die linken Gebärmutteranhänge entfernt worden. Die rechten sind auch abnorm. Und dann noch dieser Körper im Eierstock. Darüber hinaus gibt es auch keine Zeichen für eine erfolgte Geburt, keine alten Verletzungen an der Scheide etwa. Nein, ich würde mein Geld darauf wetten, dass sie kinderlos ist.«
    »Wann ist diese Frau operiert worden?«
    »Schwer zu sagen. Die Narben sind vollständig verheilt. Nicht in den letzten zwölf Monaten. Aber wahrscheinlich innerhalb der letzten zehn Jahre. Davor wäre sie außergewöhnlich jung gewesen für einen derartigen Eingriff.«
    »Zwischen 1937 und Anfang 1946. In einer Praxis?«
    Czrisini wirft ihm einen überraschten Blick zu, schüttelt dann den Kopf. »Nein. Wenn in ihrer medizinischen Versorgung alles mit rechten Dingen zuging, dann hat sie den Eingriff in einem Krankenhaus mit chirurgischer Abteilung machen lassen.«
    »Machten viele Krankenhäuser im Reich eine solche Operation?«
    »Im ganzen Reich? Hunderte.«
    »Schade.«
    Den Rest der Leichenöffnung verfolgt Stave schweigend. Nichts mehr, das ihm weiterhelfen würde.
    Ein Mann, gegen den als einziges Opfer auch Schläge geführt worden sind; eine Frau, die Mutter des Kindes sein könnte – was sich gestern noch in der Praxis von Bürger-Prinz wie eine elegante Hypothese zu einem Familiendrama dargeboten hat, ist von den Schnitten des Pathologen zerlegt worden wie ein fauliges Organ: Die Frau auf dem Tisch hat nie Kinder gehabt. Und sie ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch von ihrem Mörder vor der Erdrosselung geschlagen worden.
    Trotzdem: vier Tote, viermal wohl der gleiche Todestag. Zwei Medaillons. Dazu die Ergebnisse der Obduktion – diese Frau war wohlhabend. Das Ohrgehänge mit der Seesternform. Keine Arbeitshände bei ihr. Keine Arbeitshände beim alten Mann, bei der jungen Frau. Zu viele Gemeinsamkeiten für den bloßen Zufall, denkt der Oberinspektor. Die vier Opfer gehören zusammen.
    Führt die Unterleibsoperation auf eine weitere Spur? Wenn die Tote nicht aus Hamburg stammte, niemand hat sie hier identifiziert, dann mag dieser Eingriff sonst wo durchgeführt worden sein. Im Osten? Königsberg? In zerbombten Metropolen? Berlin? Könnte überall geschehen sein, zwischen Flensburg und Garmisch. Wer würde sich dort an sie erinnern? Wo mögen alte Krankenakten liegen? Wo mag der Chirurg heute leben – falls er noch lebt, was alles in allem eher unwahrscheinlich ist.
    »Ich schicke Ihnen einen Bericht«, verkündet Czrisini schließlich, als er sich die Hände wäscht.
    »Bitte senden Sie mir auch noch einmal Kopien der anderen drei Obduktionen zu«, sagt Stave und ignoriert das Starren des Assistenten.
    »Tut mir leid, dass ich Sie mitgenommen habe«, sagt er vor dem Institut zu Maschke, der rauchend an einer Hauswand lehnt, das Gesicht fahl, die Hand mit der Lucky Strike zittert noch leicht. »Ich glaubte, dass Sie dieser Teil der Arbeit bei der Mordkommission interessiert.«
    »Da bleibe ich lieber bei meinen Straßenschwalben«, antwortet Maschke, und er klingt dabei überhaupt nicht zynisch.
    Zur vereinbarten Zeit erscheint MacDonald in Staves Büro. Der Lieutenant ist blass und fahrig. Er meidet den Blick von Erna Berg. Und auch Stave sieht er kaum einmal einen Augenblick an. Nervosität umgibt ihn wie eine Wolke schlechten Rasierwassers.
    »Soll ich ein Schild aufstellen: ›Out of Bounds for German Civilians‹?«, brummt der Oberinspektor.
    MacDonald starrt ihn eine Sekunde irritiert an, als weckte ihn das aus einem Traum. Dann schüttelt er entschuldigend den Kopf.
    »Wir Engländer denken uns nichts

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