Trugschluss
überaus
freundlichen Gesten von früheren Besuchen. Er lächelte und nickte.
Der Araber fuhr fort: »Wie Sie wissen,
geht das Projekt in seine entscheidende Phase.« Er machte eine Pause und
vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass an den Nebentischen niemand
mithören konnte, »aber bei allem Respekt vor unseren«, er überlegte und
räusperte sich, »vor unseren Konkurrenten, können wir, wie es scheint, schon
bald in die Erprobung gehen.« Sein Kollege pflichtete ihm nickend bei. Der
Mitteleuropäer runzelte anerkennend die Stirn.
Die korpulente Bedienung, die jedem Lokal
in den Tiroler Alpen zur Ehre gereicht hätte, brachte die Getränke. Dem Paar
aus Europa servierte sie Münchner Bier, die beiden Gastgeber hatten
südafrikanischen Rotwein bestellt.
»Also, auf unsere Zusammenarbeit«, erhob
der Sprecher das Glas. Sie prosteten sich zu. Dann fuhr der Araber fort: »Wir
sind gespannt, was Sie uns zu berichten haben.« Er blickte seinem Gegenüber
fest in die Augen. Dessen junge Begleiterin lächelte.
»Nun ja«, begann der Mitteleuropäer, »wie
Sie wissen, hat das Experiment in der Raumstation unter Realbedingungen nun
endgültig bestätigt, was zu erwarten gewesen war – sonst hätte ja
bekanntermaßen das Satelliten-Navigationssystem bisher nicht so einwandfrei
funktioniert.« Er unterbrach sich und fügte hinzu: »Aber jetzt scheinen weitere
wissenschaftlich belegbare Erkenntnisse vorzuliegen. Nicht nur Theorie,
sondern, sagen wir mal, Berechenbares.«
Jetzt meldete sich auch der zweite Araber,
der Ben-Ali hieß, zu Wort. Sein Deutsch jedoch war wesentlich schlechter, als
dies seines Kollegen: »Sie haben die Forschungsergebnisse?«
Der Mitteleuropäer drehte sich vorsichtig
nach allen Seiten um und antwortete mit gedämpfter Stimme: »Alle – auf CD
gebrannt.«
Der Wortführer atmete tief ein. Er war
höchst zufrieden.
17
Cocoa Beach, Florida, Frühlingsanfang 2002.
Ein milder Märzmittag in Florida. Der Himmel war klar und blau,
das Meer ruhig. In Cocoa-Beach, nur ein paar Autominuten vom Cape Canaveral
entfernt, wo sich die Startrampen des Kennedy-Space-Centers befinden, hatten
sich um diese Jahreszeit die Rentner eingefunden, die in dieser klimatisch
begünstigten Gegend den Winter verbringen. Im Holyday-Inn, direkt am
Atlantischen Ozean gelegen und beliebtes Hotel für die Gäste der NASA, trafen
sich jedoch zwei Männer, die eher so aussahen, als seien sie geschäftlich
unterwegs. Sie saßen an diesem frühen Nachmittag in einer Ecke des Speiseraums,
ihre dunklen Jacketts über die Stuhllehne gehängt, einen Teil des Essens noch
auf dem Tisch. Der ältere von ihnen, knapp 60 und von der Sonne Floridas
braungebrannt, rückte seine randlose Brille zurecht und lächelte zufrieden: »Ist
doch ein wundervoller Job«, sagte er und nahm einen Schluck frischen
Orangensaft, »hier kann man’s aushalten.«
Sein deutlich jüngerer Gesprächspartner, eher
blass und mit einem ungewöhnlich dicken, schwarzen Brillengestell auf der Nase,
nahm sich eine Gabel Pommes Frites und trank eiskaltes Cola. »Vor allem«,
knüpfte er an die Bemerkung seines älteren Kollegen an, »vor allem, wenn die
Ergebnisse geradezu revolutionär sind.«
Der Gesprächsführer blickte sich
vorsichtig um. »Mein lieber Freund«, sagte er dann mit gewisser Ehrfurcht in
der Stimme, »wir schreiben ein Stück Weltgeschichte. Es geschehen umwälzende
Dinge – und wir sind mitten drin.«
Der Jüngere, der eine Goldkette um den
Hals trug, an der eine winzige Kugel baumelte, aß sein Brot und ließ sich mit
einer Antwort Zeit. »Und sechs Milliarden Menschen auf diesem Planeten haben
keine Ahnung, was um sie herum geschieht«, stellte er schließlich mit gedämpfter
Stimme fest.
Sein Gegenüber runzelte die Stirn. »Ich
befürchte, dass Sie mit dieser Einschätzung nicht ganz richtig liegen, bester
Freund.«
Der Jüngere schluckte. »Wie darf ich das
verstehen?«
Der Braungebrannte wischte sich mit der
Serviette den Mund ab. »Die Jungs vom CIA haben gestern Abend seltsame
Bemerkungen gemacht«, sagte er leise, »es hat so geklungen, als ob es nun
tatsächlich Erkenntnisse über andere Forschungsgruppen gäbe …«
Sein Gegenüber stutzte: »Spionage?« Noch
während er das Wort aussprach, hatte er bemerkt, dass er es viel zu laut gesagt
hatte. Er blickte sich um, doch die anderen Gäste saßen viel zu weit entfernt,
als dass sie etwas hätten verstehen können. Außerdem schienen es Japaner zu
sein.
Der Ältere
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