Trugschluss
ebenfalls hinaus
eilten, vorbei an der Sekretärin, die abseits des Eingangsbereiches saß.
Häberle steuerte den Mercedes aus dem
engen Hof hinter dem Efeu bewachsenen Backsteingebäude der Kriminalaußenstelle
Geislingen hinaus, um über die nahe B 10 den Wilhelmsplatz zu erreichen. Von da
aus nahm er die Türkheimer Steige, um über die vernebelte Albhochfläche auf
direktem Weg und ohne Ampeln nach Hohenstadt zu gelangen. Um diese Jahreszeit
war es hier oben trostlos.
»Will uns da einer mit diesem Fundort
etwas sagen?«, sinnierte Linkohr unterwegs.
»Sie meinen – eine versteckte Botschaft?«,
fragte Häberle nach.
»Wär doch bei diesem Fall alles denkbar,
oder? Wundern würd mich gar nichts mehr.«
»Dieser Blühm wird ja seine Kiste wohl
kaum selbst da raufgestellt haben«, urteilte der Kommissar, während gerade
rechts von ihnen die weiße Kugel des Wetterradars vorbeizog. Im Vordergrund
erhob sich der schlanke Turm, der einstens für den Polizeifunk erbaut worden
war, inzwischen aber vielfältiger genutzt wurde.
Weil sich der Nebel gelichtet hatte, sahen
sie bereits kurz vor Oberdrackenstein den rot-weiß gestrichenen Stahlgittermast
der Hohenstadter Funkanlage. Ein schmales Sträßchen führte vollends zu ihr
hinauf.
Häberle bog nach links in den Feldweg ein,
auf dem bereits ein Streifenwagen parkte. Hinter diesem stoppte er den
Mercedes. Ein Stück weiter vorne, dort, wo der Begrenzungszaun der
militärischen Anlage nach rechts wegschwenkte und ein alter Wachturm in die
Höhe ragte, stand ein roter Passat-Kombi ziemlich genau an der Stelle, an der
man damals auch den Golf sichergestellt hatte.
Häberle begrüßte die beiden uniformierten
Streifenbeamten, einen Polizeioberkommissar und eine junge Wachtmeisterin.
Linkohr tat es ihm nach. Der Chef-Ermittler war stets darauf bedacht, den
Kollegen vom Streifendienst höflich und freundschaftlich gegenüber zu treten,
schließlich waren die es, die zuerst an der Front waren, wie er immer voller
Hochachtung zu sagen pflegte. Er wusste, dass das Verhältnis zwischen Kripo und
Uniformierten nicht in allen Landkreisen so gut war. Oftmals wurden die
Uniformierten von den »Herren der Kripo« geringschätzig behandelt – etwas, das
Häberle bei Gott nicht ausstehen konnte.
Der Oberkommissar und die Wachtmeisterin führten
die beiden Ermittler zu dem Passat, der in Fahrtrichtung neben dem Feldweg auf
der Wiese stand.
»Wer hat ihn gefunden?«, fragte Häberle.
»Wir«, sagte der Oberkommissar stolz, »wir
haben den ganzen Tag schon danach geschaut.«
»Super«, lobte Linkohr und lächelte.
»Abgeschlossen?«, fragte der
Chef-Ermittler und beäugte die Stellung der Sperrknöpfe.
»So, wie es aussieht, ist die Fahrertür
nicht verriegelt«, meinte die Wachtmeisterin, deren kurze blonde Haare von der
Mütze bedeckt waren. Sie strahlte Linkohr mit großen blauen Augen an.
»Wir haben aber nichts angefasst«,
erklärte ihr Kollege schnell.
Häberle nickte zufrieden. Er sah durch die
Seitenscheibe, dass der Zündschlüssel nicht steckte. Auf dem nassen Asphalt des
Feldwegs waren keine Spuren sicherzustellen, dachte er und blickte in Gedanken
versunken zu dem Stahlgittermast hinauf, an den seit seinem letzten Besuch hier
oben noch weitere Parabolspiegel und Antennen angebracht worden waren.
Vermutlich Mobilfunk, dachte der Kommissar.
43
Jens Vollmer dachte häufiger an das Telefongespräch mit Anja, als
an Claudia, die bereits unterwegs nach Berlin war, wo sie Weihnachten mit ihren
Angehörigen verbringen wollte. Um Abstand zu haben – von der Arbeit, von allem.
Wohl auch von ihm. Das hatte sie zwar nicht gesagt, aber Vollmer war dies nicht
verborgen geblieben. Deshalb hatte er sich auch gar nicht aufgedrängt, mit nach
Berlin zu kommen.
Er würde die Weihnachtstage allein
verbringen, hier in Lugano – vielleicht mit Anja, ja, das erhoffte er sich
insgeheim. Das konnte sich am kommenden Wochenende, wenn sie sich trafen,
vielleicht ergeben.
Auch die anderen Kollegen, mit denen sie
jetzt seit über drei Jahren zusammen waren, hatten sich in die Weihnachtsferien
verabschiedet. Für einen kurzen Moment hatte Vollmer vor ein paar Tagen noch
mit dem Gedanken gespielt, zu den Eltern auf die Schwäbische Alb zu reisen –
doch dann hatte sich ein väterlicher Freund angesagt, einer, dem er sehr viel
zu verdanken hatte und ohne den er diesen Job niemals bekommen hätte. Zwar nagten
an ihm noch immer Zweifel, ob die Entscheidung richtig war, zumal
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