Trugschluss
Vorhang
hüllte die Fensterfront ein. Drüben am Reichstag standen die Menschen wieder
Schlange, das täglich gleiche Bild.
»Das Pentagon hat uns informiert, dass die
US-Streitkräfte in Europa eine Art Großraummanöver planen«, begann der Minister
mit sonorer Stimme, »sie nennen es ›Projekt Echo‹. Es handelt sich um ein
Planspiel, das keine Auswirkungen nach außen haben wird. Wir werden deshalb nur
informatorisch unterrichtet.« Er zog aus einer Unterschriftenmappe ein Blatt
Papier, das mit großen Buchstaben beschrieben war. »Es ist Bestandteil des
Anti-Terrorprogramms und dient zum Aufbau eines neuartigen Vorwarnsystems, mit
dem Angriffe aus der Luft rechtzeitig abgewehrt werden können. Es hat aber
nichts mit dem Starwar-Programm zu tun, bei dem die Abwehr mit Raketen erfolgen
würde.« Der Minister räusperte sich und blickte in die schweigende Runde.
»Nun ja«, fuhr er leicht irritiert fort, »es
wird keine Fahrzeugbewegungen geben, weder zu Lande, zu Wasser oder in der
Luft. Es sei allenfalls mit kurzfristigen Beeinträchtigungen des Funkverkehrs
zu rechnen, heißt es. Für die Rundfunk- und Fernsehsender dürfte dies ohne
Belang sein. Wir werden nur die Flugüberwachungszentren informieren, weil es
denkbar ist, dass Navigationsanlagen gestört werden.«
Einer, der links des Ministers saß, hob
vorsichtig die Hand und ergriff das Wort. »Nur eine kurze Zwischenfrage, Herr
Minister: Über welchen Zeitraum soll sich dies erstrecken?«
»Ab 15. Januar bis 15. März, aber immer
nur für wenige Minuten und an einigen wenigen Tagen«, antwortete der
Vorsitzende.
»Wenn ich das richtig verstehe«,
unterbrach der Sitzungsteilnehmer erneut, »dann geht es um starke
elektromagnetische Felder. Über welchen Bereich hinweg wird dieser …« Er rang
nach Worten, »… dieser Vorhang dann aufgebaut?«
»Das erstreckt sich über ganz Europa
hinweg«, erwiderte der Verteidigungsminister langsam.
Ein anderer mischte sich ein: »Dazu bedarf
es aber einer Vielzahl von Sendeanlagen.«
Der Vorsitzende nickte. »Ja, natürlich.
Die Verbündeten, einschließlich der Schweiz und alle EU-Staaten, die bisherigen
jedenfalls, haben bekanntermaßen nach dem elften September Systeme dieser Art
gefordert und die USA beim Aufbau bekräftigt.« Er dachte kurz nach. »Die
zivilisierten Staaten«, fuhr er mit gerunzelter Stirn fort, »sind, wie das
Pentagon zu wissen glaubt, leider nicht die Einzigen, die sich einer solchen
Technologie bedienen.« Er beobachtete seine Zuhörer und wartete auf eine
Reaktion. Als keine erfolgte, sprach er weiter: »Aber was den Irak anbelangt,
hat sich das jetzt wohl erledigt.«
Einer aus der Runde schien plötzlich wie
auf ein Stichwort hellwach zu werden. »Sie wollen damit aber doch nicht etwa
sagen, dass der Irak über ein solches System verfügt hat?«
Der Minister holte sorgenvoll tief Luft und
lehnte sich zurück. »Ich nicht. Und ich kann das auch nicht. Was immer wir
erfahren, stützt sich auf Berichte des Pentagons und des CIA.«
Der Diskussionsredner ließ sich damit
nicht abspeisen: »Dann hat sich hinter den angeblichen Massenvernichtungsmitteln
eine bisher unbekannte Technologie verborgen?«
Ein weiterer Konferenzteilnehmer meldete
sich jetzt zu Wort: »Halten Sie es wirklich für denkbar, dass Bush so etwas
gemeint hat – während wir an Giftgase und biologische Kampfstoffe gedacht
haben?«
»Ersparen Sie es mir, die Gedankengänge
des Mr. Bush zu interpretieren«, entgegnete der Minister mit vornehmer
Zurückhaltung. »Meine Mission hier und heute ist es nur, Sie zu informieren.
Beachten Sie aber bitte die höchste Geheimhaltungsstufe.« Er packte seine Akten
bereits wieder zusammen.
Häberle war einigermaßen erleichtert, als Linkohr den Kopf
schüttelte. Also keine Leiche. Aber Blühms gestohlenes Auto, ein acht Jahre
alter knallroter Passat, wurde tatsächlich ziemlich genau an jener Stelle
gefunden, an der im März 2000 jener Golf aus Lugano gestanden war, neben der
eine bis heute nicht identifizierte verkohlte Leiche eines vermutlich jungen
Mannes lag. Der Kommissar wollte allerdings nur ungern an den Fall erinnert
werden, zumal es sich um einen der wenigen handelte, die er in seiner Laufbahn
praktisch ungeklärt zu den Akten hatte legen müssen. Ein schwarzer Fleck in der
Karriere sozusagen.
»Wir fahren rauf«, entschied er deshalb, »Spurensicherung
auch.«
»Erledige ich«, sagte Schmittke und
verließ den Raum, während die beiden anderen Kriminalisten
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