Trugschluss
ja, so weit ich weiß, kann bis heute kein Mensch genau sagen, was
sich in diesen Pyramiden verbirgt.«
Der Amerikaner kniff überlegend die Lippen
zusammen, um nach kurzer Pause zu erklären: »Was soll schon da drin sein? Eine
Königskammer, das ist doch seit langem bekannt. Gizeh ist für uns kein Thema.«
Die junge Frau hatte den Eindruck,
Armstrong würde nicht mit der ganzen Wahrheit herausrücken. »Vor kurzem hat man
doch eine Videokamera in irgendeinen Gang gesteckt, der an einer Art Tür endet
…«
Braunstein hörte interessiert zu, während
der Amerikaner gleich gar nicht den Verdacht aufkommen lassen wollte, als sei
an den Bemerkungen der Araber tatsächlich etwas dran gewesen. »Die Dinger sind
ausgiebig erforscht«, meinte er und schien das Thema endgültig abschließen zu
wollen, »da ist nichts, was uns beunruhigen muss.«
Manuela aber legte noch einmal
selbstbewusst nach: »Bei allem, was man so darüber liest, ist immer die Rede
davon, dass es Gänge innerhalb der Pyramide geben soll. Ist es denn nicht
möglich, dass das wahre Geheimnis dieser Bauten unter ihnen steckt, also im
Boden, tief unten drin? Und die Pyramiden selbst sind vielleicht nichts weiter
als große ›Landmarken‹, die uns, viele Generationen und sechstausend Jahre
später darauf aufmerksam machen sollen: Da ist etwas.«
So hatte auch Braunstein seine Begleiterin
und Kollegin nie zuvor kennengelernt. Sie schien plötzlich ganz versessen
darauf zu sein, ein Geheimnis zu enthüllen. Irgendwie war von ihr eine Last
gefallen – jetzt, da ihrer beider Aufgabe als Doppelagenten endlich erfüllt
war. Sie würden zum eigenen Schutz eine neue Identität bekommen und mit dem
fürstlichen Honorar aus all den Jahren eine Villa hoch über dem Luganer See
kaufen – in einer Gegend, wo keiner fragte, woher das viele Geld dafür kam,
weil sie alle dort, wo meist scharfe Hunde hoch ummauerte Sonnen-Grundstücke
bewachten, nicht gerne über Vermögensverhältnisse redeten.
»Und was«, fragte Armstrong charmant und
lächelnd, »was soll Ihrer Ansicht nach denn unter der Cheopspyramide versteckt
sein?«
Manuela hob die Schulter. »Woher soll ich
das wissen? Ein gigantisches Archiv vielleicht, das auf diese Weise über
Jahrtausende hinweg geschützt war. Vielleicht auch eine Technologie, die uns
fremd wäre.«
Braunstein ging das jetzt zu weit: »Ist
das nicht ein bisschen zu viel Sciencefiction?«
Sie ließ sich nicht beirren: »Könnte doch
sein, jemand hat uns da etwas hinterlassen, wofür die Menschheit heute noch
nicht reif ist – so eine Art Gedächtnis der Menschheit …?«
Armstrong nahm genüsslich ein weiteres Mal
einen Schluck aus seinem Glas. »Um in die Realität zurückzukehren«, lächelte er
wieder charmant, »sollte dort tatsächlich eine Apparatur verborgen sein, die
die Araber mit ihren bescheidenen Mitteln, wie auch immer, zum Leben erweckt
haben, dann kann ich Sie beruhigen, liebe Freunde: Die Vereinigten Staaten von
Amerika haben dafür gesorgt, dass von dort keine Gefahr mehr ausgehen kann. Der
Präsident und seine Verbündeten, die ihm in den schweren Tagen des Irak-Krieges
zur Seite gestanden sind …« Er unterbrach kurz, als wolle er seine Enttäuschung
über das Verhalten Deutschlands zum Ausdruck bringen, »… sie alle haben dafür
gesorgt, dass keine Massenvernichtungsmittel mehr in der Hand von Terroristen
sind. Übersetzt sagt man wohl ›Schurkenstaaten‹.«
Braunstein nickte zustimmend. »Wir waren
uns unserer Verantwortung zu jedem Zeitpunkt bewusst«, erklärte er emotionslos
wie immer.
»Dass wir mit unserer Aufklärungsarbeit
richtig lagen«, entgegnete Armstrong, »das hat Ihre Arbeit gezeigt. Ohne Sie
und einiger anderer wäre unser Anti-Terror-Kampf, den wir im Übrigen nicht erst
am elften September begonnen haben, wie Sie wissen – ohne Sie würde jetzt ein
weiterer schwerer Schlag gegen die freie westliche Welt erfolgen. Dank Ihrer
Erkenntnisse zu den Plänen der Gegenseite sind wir bereit. Für Europa gilt in
den nächsten Wochen höchster Terror-Alarm. Die Streitkräfte sind informiert –
und die Sicherheitsbehörden bis hinab zum letzten Ortspolizisten.« Armstrong
war mit sich und dem, was er mit seinen Mitarbeitern zuwege gebracht hatte,
voll zufrieden. »Nur keiner von all denen, die in Alarmbereitschaft versetzt
wurden«, ergänzte er, »ist über das Ausmaß dessen informiert, was im
Hintergrund läuft.«
50
Dienstag, 2. Dezember 2003.
Das Verschwinden Bruno Blühms hatte
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