Trust Me - Blutiges Grauen
zurückschreckt.”
Sheridan klemmte sich das lange dunkle Haar hinters Ohr. Sie trug kein Make-up. Doch mit ihrer schlanken Figur, den großen grün-blauen Augen, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern, und der makellosen Haut erregte sie immer Aufsehen. Vor allem bei Männern. “Wir können uns nicht um alles kümmern, Skye. Es ist schon fast Wochenende. Überlass der Polizei diesen Fall.”
Skye sah sie entsetzt an. “Wie kannst du so was sagen? Nach dem Datum auf dem Zettel wird er schon eine Woche vermisst. Wir müssen sofort Jonathan Bescheid sagen. Er ist gut. Der findet fast jeden.”
“Er kostet aber auch viel. Das können wir uns nicht leisten.” Sheridan legte ihr die Hand auf den Arm. “Skye, wir müssen das Geld zusammenhalten, damit wir nicht schließen müssen.”
Dass Sheridan eine solche Bemerkung machte, bedeutete, dass sie bereits Probleme hatten. Aber das wollte Skye im Moment nicht wahrhaben. Der Gedanke an Sean Regan ließ sie einfach nicht los. Der ehemalige Mechaniker, der dann Verkäufer bei einem Juwelier geworden war, hatte
sie
um Hilfe gebeten. Und dank seiner Frau würde er womöglich irgendwo in einem Abwasserkanal verrotten.
“Ich hatte ihm geraten, sie zu verlassen, sich aus dem Staub zu machen.” Skye atmete tief durch, um sich zu sammeln. Wieder einmal.
“Wollte er nicht?”
“Er weigerte sich, seine Kinder im Stich zu lassen. Und er zweifelte daran, dass seine Ängste berechtigt waren. Er meinte, seine Familie würde ihn auslachen, wenn er ihnen von seiner Vermutung erzählte, dass Tasha gefährlich ist.”
Sheridan drückte ihr zuversichtlich die Schulter. “Die Polizei tut, was sie kann.”
Aber das schien nie genug zu sein. David war der engagierteste Cop, den Skye kannte, und nicht einmal er war in der Lage gewesen, Burke für immer hinter Gitter zu bringen. Und es gab noch genug andere Probleme: Menschen fielen durch das soziale Netz; das System brach zusammen. Deshalb verbrachten Sheridan und Jasmine und sie fast täglich jede Minute damit, einem Opfer nach dem anderen zu helfen. Für einige engagierten sie Privatdetektive, um die Arbeit der Polizei zu unterstützen. Für andere war es ein besserer Anwalt, ein Platz zum Untertauchen, medizinische Hilfe, bis zu Psychotherapie und Beratungsgesprächen. Sie versuchten einzuspringen, wo immer es nötig war. Doch das kostete eine Menge Geld. Und obwohl sie sich selbst nur so viel auszahlten, um ihre Kosten gerade so zu decken, waren nie genug finanzielle Mittel vorhanden.
Glücklicherweise waren nun, drei Jahre nach der Gründung, auch die offiziellen Stellen, sowohl auf regionaler als auch auf überregionaler Seite, auf
The Last Stand
aufmerksam geworden. Inzwischen hatten sie sich bewiesen; man wusste darum, wie ernst sie ihre Aufgabe verfolgten. Ein Senator hatte versprochen, die Benefizveranstaltung am kommenden Wochenende im Hyatt zu unterstützen. Deshalb erhoffte Skye sich weitere großzügige Spenden.
“Ich fühle mich verpflichtet, irgendetwas zu unternehmen, Sher. Als wir miteinander gesprochen haben, fragte er mich, ob wir auch Männern helfen. Es schien ihm peinlich zu sein. Als wäre das irgendwie … unmännlich. Ich habe ihm geantwortet, dass wir so vielen Leuten wie möglich helfen wollen, egal welches Geschlecht, Alter oder welche Herkunft.”
“Was hast du ihm versprochen?”
“Einen Termin bei Jonathan. Ich dachte, wir sollten herausfinden, ob sein Verdacht in irgendeiner Weise begründet ist. Aber er ist nicht wiedergekommen. Ich habe ihn mehrmals angerufen, aber das war kurz vor Weihnachten, und als ich nichts von ihm hörte, dachte ich, er wäre mit seiner Familie verreist. Und jetzt … das.” Sie biss sich entsetzt auf die Lippe. Ein weiteres verlorenes Leben – ein Leben, das sie hätte retten können. “Ich hätte hartnäckiger sein sollen. Ich hätte zu ihm fahren sollen …”
“Skye, deine Annahme war vollkommen berechtigt. Wir wissen immer noch nicht, was vorgefallen ist. Vielleicht ist er auch untergetaucht, weil er Beweise dafür gefunden hat, dass er tatsächlich in Gefahr schwebt.”
“Nein. Er hätte seine Kinder mitgenommen, wenn die Situation so heikel gewesen wäre.”
“Okay. Jonathan wird sicher alles tun, um ihn aufzuspüren.” Sheridan versuchte bei den Worten zuversichtlich zu lächeln. Aber Skye entging nicht, dass sie wirklich besorgt war. So hatte sie ihre Freundin seit diesen aufreibenden Monaten kurz vor den ersten Spenden für
The Last Stand
noch
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