Trust Me - Blutiges Grauen
Haus erwischte.
“Ja, ich bin einverstanden”, hörte sie ihn sagen. Dann fuhr er sich mit den Fingern durch das dichte mittelblonde Haar.
“Er ruft sonst nie am Samstagmorgen an”, flüsterte sie entschuldigend. Die Euphorie, die sie gerade noch gespürt hatte, war verflogen, und sie setzte sich im Bett auf. Noah hatte nicht vorgehabt, das Gespräch anzunehmen. Er war auf der Suche nach einer Pizzeria gewesen, die jetzt um diese Zeit offen hatte. Und war überrascht, plötzlich eine Telefonistin in der Leitung zu haben, die Oliver durchstellen sollte. Sie sagte sofort ihren Spruch auf, den Jane selbst schon Hunderte Male gehört hatte: “Der Anruf kommt von einem Insassen des Kalifornischen Strafvollzugs.”
Was für ein schlechtes Timing! Oliver hatte ihr erklärt, dass es nur ein Telefon für jede Abteilung in San Quentin gab. Das hieß, es warteten ständig fünfundvierzig Typen darauf, an die Reihe zu kommen. Er schaffte es tatsächlich, immer genau dann anzurufen, wenn es ihr am wenigsten passte.
Natürlich wollte sie in letzter Zeit am liebsten überhaupt nicht mit ihm reden. Er tat gerade so, als müsste sie wegen seiner Haftentlassung völlig aus dem Häuschen sein. Wie kam er nur darauf, dass er nach allem, was sie seinetwegen hatte durchmachen müssen, einen glücklichen Empfang verdiente? Vielleicht war er nicht schuldig, was die versuchte Vergewaltigung betraf. Aber er hatte lange vor ihr das Ehegelöbnis gebrochen. Und das hatte Jane den größten Schmerz bereitet, den sie sich vorstellen konnte. Sie hatte alles verloren, und dazu noch ihre Würde. Niemand sonst aus ihrem Bekanntenkreis musste mit einer solchen Schande leben. Sie hatte einen Gatten, der im Gefängnis saß! Es wäre schlimm genug, wenn man ihn wegen Unterschlagung oder irgendeinem Wirtschaftsdelikt verurteilt hätte. Aber versuchte Vergewaltigung! Das warf nicht nur ein schlechtes Licht auf ihn, sondern auch auf sie. Die Experten meinten, es habe etwas mit Macht zu tun, nicht mit Sex. Mein Gott, wie oft hatte sie das gehört? Trotzdem war es stigmatisierend, ließ sie dastehen, als könnte sie ihren Mann nicht befriedigen.
Wenn er das, was er braucht, zu Hause bekommt, warum muss er sich dann woanders umsehen?
Niemand hatte es wirklich ausgesprochen. Doch an den Blicken hatte sie erkannnt, dass es so mancher gedacht hatte.
Sie wünschte, diese Leute könnten sie mit Noah sehen. Er war viel größer als Oliver, er führte ein Bauunternehmen, und er war in großartiger Form. Er konnte es immer kaum erwarten, sich über sie herzumachen.
Nicht dass sie ein besonders gutes Gefühl bei dem hatte, was sie taten. Wahrscheinlich drehte sich ihre strenggläubige Tante im Grabe um. Bei ihr hatte sie den Rest ihrer Kindheit verbracht, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Außerdem liebte Jane ihre Schwägerin und Olivers Eltern. Sie alle wären gekränkt, wenn sie davon erführen.
Noah verdeckte die Sprechmuschel und gestikulierte:
Was zum Teufel soll ich ihm sagen?
Jane überlegte verzweifelt. Dann fiel ihr nichts anderes ein als die Ausrede, die sie auch bei ihrer Schwiegermutter benutzt hatte – als Betty Burke vorige Woche unerwartet zu Besuch gekommen war und Noah in der Küche vorfand. “Sag ihm, meine Toilette ist verstopft und du bist rübergekommen, um sie zu reparieren”, flüsterte sie. “Er weiß, dass du mir manchmal hilfst. Dafür ist er dankbar.”
Er verdrehte die Augen bei dem Wort “dankbar” und senkte den Kopf. Sie wollte ihm schon den Hörer abnehmen. Noah litt manchmal noch mehr an schlechtem Gewissen als Jane. Sie fürchtete, dass es ihn irgendwann einmal dazu verleiten würde, die Wahrheit zu gestehen. Aber Oliver hatte zweifellos Noahs Stimme gehört. Es würde merkwürdig aussehen, wenn er dann nicht ein paar Worte mit ihm reden würde, bevor er den Hörer weitergab.
Noah warf ihr einen hilflosen Blick zu und rieb sich die linke Schläfe, während er zuhörte. “Ja … stimmt, ich bin es. Wie geht es dir? … Schön. Was ist bei euch passiert seit meinem letzten Besuch? … Machst du Scherze? Ich freue mich, dass du rauskommst … Tut mir leid, dass ich in letzter Zeit nicht so oft gekommen bin … Ich weiß. Bei mir im Geschäft ging alles drunter und drüber … Trotzdem, ich hätte mir die Zeit nehmen sollen …”
Jane stand auf, ging zu Noah hinüber und setzte sich zu seinen Füßen. Plötzlich geriet sie in die merkwürdige Versuchung, zu stöhnen oder irgendeinen
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