Truthahn um zwölf
eine richtige Hochzeit. Standesämter sind scheußlich. Ich hab’ zwar noch nie eines gesehen, aber ich bin sicher, daß es dort nur Staub und verkalkte alte Männer gibt.«
Immer noch um Zeit zu gewinnen, sagte ich konfus: »Ich bin auch noch nie in einem gewesen, aber sie sind sicher nicht sehr aufregend.«
»Und letztes Mal war die Trauung nur standesamtlich, also ein Grund mehr, diesmal in der Kirche zu heiraten. Da kann sie nichts an früher erinnern, denn so verrückt es auch klingt, Susan, ich glaub’, sie macht sich immer noch viele Sorgen wegen dem schrecklichen Kerl.«
Ich war erleichtert. Sie sprach von Edith Freeman, wie wir sie nannten, obwohl sie von Rechts wegen Edith Bolton hieß.
»Wann heiraten sie denn? Ich dachte, sie wollten sich in aller Stille davonmachen und sich in der Stadt trauen lassen.«
»Das wollten sie auch. Gräßlich langweilig. Das macht überhaupt keinen Spaß.«
Irgendwie hatte ich das auch nie von Ediths Hochzeit erwartet. Edith war von ihren traurigen Erfahrungen mitgenommen, und Ted war zwar ein herzensguter Kerl, aber nicht besonders lustig. Sie regten beide nicht sehr zur Fröhlichkeit an. Als ich das zu sagen wagte, war Tony empört.
»Gerade deshalb müssen sie einen richtigen Start haben! Ich hab’ Edith erklärt, daß sie ein passendes Kleid haben und im engsten Kreis in unserer kleinen Kirche heiraten müsse. Und hinterher eine ganz kleine Party, irgendwo.«
Ich war ziemlich sicher, daß das »irgendwo« für die ganz kleine Party unser Haus sein würde; und warum eigentlich nicht? Tony sprudelte weiter.
»Gegen die Kirche spricht gar nichts. Schließlich ist ja keiner von beiden geschieden.«
Da Edith nie richtig verheiratet gewesen war, war das nur zu wahr. Wahr war auch, daß sie für all das nichts gekonnt hatte. Ich war überzeugt, daß kein Pfarrer Einspruch erheben würde, am wenigsten unser netter Mr. Mason, den wir nun an Stelle von Norman Craig hatten. Aber ich fragte mich, ob es dem Paar nicht lieber sei, nur aufs Standesamt zu gehen und irgendeinen Trauzeugen zu nehmen.
Tony war über diesen Einwand entrüstet. »Schrecklich! Nein, diesmal soll sie etwas haben, woran sie sich ihr ganzes Leben lang erinnert. Dann wird sie das andere sicher vergessen.«
Tony war wirklich noch recht jung. Edith würde die Vergangenheit wahrscheinlich nie vergessen. Aber Tony war so begeistert, daß ich sie nicht darauf hinweisen wollte. Mir gelang es schließlich zu sagen: »Aber das Kleid? Ist das nicht unnötig, wenn sie so wenig Geld hat?«
Denn Freeman hatte sie nicht nur ohne einen Pfennig Geld sitzen lassen, er hatte auch auf ihren Namen Schulden gemacht, mit deren Abzahlung sie sich herumzuschlagen hatte. Mit Miss Adams Hilfe und dem Beistand eines Rechtsanwalts war es ihr gelungen, die Sache mit fast allen Firmen zu regeln. Nur eine war geldgierig und hatte kein Mitleid, und sie bekam von ihr immer wieder eingeschriebene Briefe. Wenn die kamen, brach sie immer in Tränen aus.
Tony sagte: »Aber sie braucht sich doch keines zu kaufen. Ich hab’ genau das richtige, und wir haben ungefähr die gleiche Figur. Wenn es nicht paßt, dann änderst du es doch, Susan, bitte?«
Das war klar, aber ich wollte wissen, an welches Kleid Tony dachte.
»Weißt du, das, das Daddy mir gekauft hat, als wir zur Jahresfeier seiner Firma gegangen sind. Es ist ein reizendes Kleid.«
Das stimmte, aber ich fand es für Edith als Brautkleid nicht passend. Immerhin war sie schon einmal einem Bigamisten zum Opfer gefallen. Ich wagte zu sagen: »Ist das nicht zu anspruchsvoll? Ich finde, Edith braucht etwas Einfacheres.«
»Aber es ist einfach. Solche Kleider sind jetzt Mode. Es ist nur wegen dem Schnitt und der Stickerei so teuer gewesen. Es ist einfach süß, und ich möchte es ihr so gerne schenken. Daddy kann mir ja ein neues kaufen, wenn er mich wieder zu einer Party mitnimmt, und weil er das sowieso für Ewigkeiten nicht mehr tun wird, hat er das erste dann schon längst vergessen.«
»Hast du dir das auch genau überlegt, Tony? Vielleicht brauchst du es doch noch selbst?«
»Sicher nicht. Können wir heute Abend zur Anprobe kommen? Und hast du oder Larry zufällig einen passenden Hut? Ich setze ja nie einen auf, und wenn, dann so einen albernen, der Edith nicht stehen würde.«
Ich sagte, daß Anne sicher etwas für sie hätte, wenn wir keinen fänden, und daß ich mich freuen würde, Tony heute Abend zu sehen. Dann fragte ich: »Wie geht es übrigens deinem
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